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Art & Politics. Erró, Fahlström, Köpcke, Lebel: Wer die Wahl hat

Das Verhältnis zwischen Kunst und Politik darf entschieden als intrikat oder zumindest wechselhaft bezeichnet werden; war die Kunst doch mit Anbruch der Moderne so frei, ihre (begrifflich ohnehin immer unscharfe) Autonomie zu proklamieren, während sie sich spätestens mit den Interventionen der klassischen Avantgarde wieder ein eminent politisches Gepräge gab, also ihr L`art pour l`art zurückstellte und dafür gesellschaftliche Relevanz einzuhandeln suchte; ein Sinnen, das bekanntlich nach der Unterdrückung durch Totalitarismen verschiedenster Couleur mit der Wiederauferstehung der Avantgarde unmittelbar nach dem Krieg und dann besonders im Rahmen der allgemeinen Emanzipationsbestrebungen in den 1960ern neuerlich an Virulenz gewann. Die von dem Hamburger Sammler Harald Falckenberg initiierte Wanderausstellung "Art & Politics" versucht nun eine Zusammenschau von vier Vertretern engagierter Kunst letztgenannter Generation, deren Wirken sich allerdings nicht in bloßem Agitprop erschöpfte, sondern stets auch den kunstimmanenten Fortschritt befördern wollte. Als Königsweg zu einer Synthese dieser beiden Anliegen erwies sich die damals vielbeschworene Erweiterung oder Öffnung des Werkbegriffs, also die Bemühung, den Betrachter - anstatt ihn mit etwas Vollendetem und ihm dadurch schon Verschlossenem zu konfrontieren bzw. distanzieren - auf durchaus spielerische Weise einzubinden. Auf der formalen Ebene dominiert dabei, wenn es sich nicht gleich um theatralische Ereignisse wie Happenings oder Performances handelt, das dem Fundus der Avantgarde (Dada, Surrealismus) entnommene Prinzip der Collage, die mit Anleihen aus der massenmedialen Populärkultur die Diskrepanz zwischen High & Low einzuebnen hilft. Der Wahl-Kopenhagener und zeitweilige Galerist Arthur Köpcke trat künstlerisch überwiegend durch seine sogenannten "Reading-Work-Pieces" hervor, rebusartigen und keinesfalls elaboriert wirkenden Kombinationen aus Schrift und Bild, die hörbar zur Entschlüsselung aufrufen und zuweilen auch als anleitende Rollbilder bei Fluxus-Aktionen zum Einsatz kamen. Ganz auf das spielerische Element setzte auch Öyvind Fahlström, dessen zur Partizipation animierende "Game Paintings", vom Comic abgeleitete, sehr zeichenhafte und einer Bilderschrift gleichkommende Arrangements, im Laufe der Zeit immer mehr an konkreter Bedeutung und analytischer Schärfe gewannen, bis sie zu puzzlehaften Weltkarten gerannen, die vornehmlich den US-amerikanischen Imperialismus geißelten. (Wohl mit ein Grund dafür, warum Fahlström gerade eine Renaissance erlebt.) Die frühen Zeichnungen, Gouachen oder Collagen des Isländers Erró wiederum zeigen den Menschen (oder seine Schwundform, den Kopffüßler) als Ergebenen einer technokratischen Maschinenwelt, während seine in den letzten Jahren entstandenen großformatigen Tableaux die Kunstgeschichte oder Comic-Kultur in kaleidoskopischen Panoramen wiederbeleben - aber den Beschauer dafür beinahe zu Tode ermatten. Und Jean-Jacques Lebel schließlich, der dem Happening zu seiner Premiere in Europa verhalf, tritt hier vor allem als Objektkünstler auf, der mit rebellenhaftem Gestus gegen alle als repressiv empfundenen Instanzen anrennt (Kirche, politische Idole), dessen Brüskierungen letztlich aber doch recht schal wirken. So schal, wie verjährte, dem Zeitgeist entsprungene Provokationen eben wirken.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Art & Politics. Erró, Fahlström, Köpcke, Lebel
11.12.2005 - 26.02.2006

Museum der bildenden Künste Leipzig
04109 Leipzig, Katharinenstr. 10
Tel: +49 (0)341 - 216 99 0, Fax: +49 (0)341 - 216 99 999
Email: mdbk@leipzig.de
http://www.mdbk.de
Öffnungszeiten: Di & Do-So 10-18, Mi 12-20


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