Werbung
,

Das Richtige tun

Sie hätten nur helfen wollen, sagen die drei jungen Männer. Sie seien im September 2001 zu einer Hochzeit nach Pakistan gekommen und hätten dort gehört, dass in Afghanistan jede Hand gebraucht würde um der Zivilbevölkerung zu helfen. Und so kam es, dass sich die vier Engländer Asif, Ruhel, Shafiq und Monir im Herbst 2001 per Bus zur Grenze aufmachten. Nach einer Reise durch das Chaos eines Landes im Krieg war Monir tot und die übrigen drei landeten, ohne selbst gekämpft zu haben, in amerikanischer Gefangenschaft und nach wochenlanger Haft als potentielle Terroristen im berüchtigten US-Stützpunkt Guantánamo auf Kuba. Michael Winterbottom und Mat Whitecross erzählen in dem aus Interviews und nachgespielten Szenen bestehenden Film The Road to Guantánamo die Geschichte von drei Leuten, die aus dem amerikanischen Gefangenenlager wieder frei gelassen wurden, nach zwei Jahren, in denen die zuvor politisch und religiös unbeleckten Jungen Gewalt, Demütigungen, Verhöre, Einzelhaft und Folter durchstehen mussten, bis sie ihre "Unschuld" beweisen konnten. Als der wichtige, kritische Film, der er ist, gilt "The Road to Guantánamo" als ein Top-Anwärter auf den Goldenen Bären. Harte Kost ist auch der deutsche Spielfilm Der freie Wille von Matthias Glasner. Jürgen Vogel, der am Script mitgeschrieben hat, spielt darin einen verurteilten Vergewaltiger, der nach neun Jahren Maßregelvollzug wieder zurück in den Alltag entlassen wird. Der Film beginnt mit der Schilderung eines seiner Delikte und zeigt brutal und ausführlich, wie Theo einer jungen Frau auflauert, sie verprügelt und vergewaltigt. Eigentlich machen diese Szenen gleich zu Beginn jede Sympathie für Theo unmöglich. Doch als er entlassen wird, ist aus dem Gewalttäter ein Menschen geworden, der unter seinen eigenen Taten leidet. Während die Kamera ihn dabei beobachtet, wie er versucht, die alten Impulse in den Griff zu kriegen, schwankt der Zuseher zwischen Misstrauen und Hoffnung. Auch die Beziehung zu Nettie, der zunächst abweisenden Tochter seines neuen Chefs, weckt schlimmste Befürchtungen. Und tatsächlich endet der Film tragisch, wenn auch anders als erwartet. "Der freie Wille" ist eine pessimistische Absage an den Maßregelvollzug. Er sucht nicht nach Erklärungen, sondern stellt überzeugend die desillusionierende These auf: Nicht für jeden gibt es ein Zurück ins Leben. Zur Tragödie entwickelt sich auch Valeska Grisebachs neuer Film Sehnsucht, der ebenfalls als Kandidat für einen Bären gehandelt wird. "Sehnsucht" ist auf mehreren Ebenen bemerkenswert. Es geht um einen Bewohner eines Dorfes in der Nähe von Berlin, der seine Frau liebt, aber auch ein Verhältnis zu einer anderen beginnt. Eine alte, alltägliche Geschichte. Es hätte sie sehr interessiert, Realität und Fiktion immer nahe beisammen zu halten, sagt die Regisseurin. Es gelang ihr mit einem erst beim Dreh fertig improvisierten Script und mithilfe von Laiendarstellern. Nicht die Geschichte ist das Thema dieses Films, sondern die eigentümliche Verschmelzung von Realität und Fantasie, von Alltag und Legende, aus der wir die Erzählung unseres Lebens erschaffen. Sie wollte zeigen, wie ihr Protagonist zum Star seines eigenen Dramas wird, sagt Grisebach. Genial ist der Einfall für den Schluss, der genau diese Ebene reflektiert: Eine Gruppe Kinder erzählt sich dieses Drama, wie ein Märchen. Oder einen Film. www.berlinale.de
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: