Werbung
,

Ernst Caramelle: Neues vom Kunst-Topologen

Wenn es einen Topos gibt, das Ernst Caramelles Oeuvre wie ein roter Faden durchzieht, dann ist es der Sehprozess samt der Befragung sämtlicher damit verbundenen Aspekte. Auf diese Weise stellt Caramelle nicht zuletzt die Kunst selbst auf den Prüfstand. Deutlich formuliert hatte er das bereits in den siebziger Jahren, als er unter dem Motto "Forty (sic!) Found Fakes" den normalen Alltagswahnsinn mit der Kamera durchforstete und dort gefundene Motive zur Grundlage künstlerischer "Fälschungen" machte. Mit Aufnahmen von Alpenhöfen, die aus der Froschperspektive fotografiert waren, von Markisen, Tierschlachtungen, Schubladenkästen, Porträts und dergleichen bekamen Zeitgenossen wie Bernd und Hilla Becher, Buren, Nitsch, Judd, Richter etc alle ihr Fett ab.

So fokussiert und personalisiert wie damals nahm Caramelle die Kunst-Szene zwar kein zweites Mal unter die Lupe. Nichtsdestotrotz liefert "Forty Found Fakes" den Schlüssel zu einem Werk, das sich in der Folge seit dreißig Jahren stringent wie wenige andere entwickelte. An die Stelle des Referenzsystems Kunstszene rücken nun mehr und mehr der Raum der Institution und damit auch deren Architektur und räumliches Gefüge, um letztlich doch auf das Zentrum Kunst zu pochen.

Deutlich macht Caramelle das schon auf der Straße vor der Galerie, wo er das "Login", den neuen Schauraum der Galerie, mit einem Videoloop bespielt, das sowohl vom Schauen wie auch damit einhergehend vom Changieren zwischen innen und außen, privat und öffentlich handelt. Die Straßensituation aufgreifend, zeigt das Video den Blick durch ein Fenster in eine schräg vis-à-vis liegende Wohnung, in der sich eine Person vor einem Fernseher befindet. Einerseits wird hier - auf der Ebene des Videos - das Private öffentlich gemacht, andererseits aber - durch die großen Schaufenster des verglasten Raums - das Öffentliche privat: ein Wechselspiel, das gleichermaßen der Institution Galerie zugrunde liegt.

Die im Obergeschoß liegenden Räume bespielt Caramelle dann ganz klassisch mit gut zwei Dutzend kleinen Handzeichnungen und Papier-Prints sowie Sonnen-Zeichnungen und Gesso-Arbeiten, deren schablonenhaft-flächige Komposition jeweils Anklänge an Raumsituationen vorgaukelt. Die übergeordnete Klammer dieser Bildfolgen bildet eine raumübergreifende Wandmalerei: ein jeweils in eine Ecke gesetztes orangefarbenes Rechteck. Während also die drei Rechtecke die pseudo-architektonischen Sujets der Lichtzeichnungen und Gessi zu zitieren scheinen, dechiffrieren sie zugleich die Fragwürdigkeit der Sehnsucht des Betrachters nach Bedeutung - und sei diese auch noch so sehr motiviert durch die Handzeichnungen, die ihrerseits zweifelsohne kleine Geschichten, Szenen und Kommentare beinhalten.

Mehr Texte von Johanna Hofleitner

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ernst Caramelle
18.02 - 01.04.2006

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: