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Summer of Love. Psychedelische Kunst der 60er Jahre: Viel Lärm

Es müssen aufregende Zeiten gewesen sein damals, in den 1960er Jahren; als die Weltläufte nach einer vordringlich um Stabilität und Konsolidierung bemühten Dekade wieder an Schwung gewannen, die westlichen Gesellschaften ob der heraufziehenden kulturellen, sozialen und politischen Veränderungen mit sich uneins waren und überhaupt die Revolution nicht mehr fern sein konnte. Und auch in der Kunst dieses Jahrzehnts tat sich Außerordentliches, schließlich überbot eine neoavantgardistische Bewegung die andere in dem teleologischen Eifer, als einzig wahre Ausprägung der Idee Kunst die dazugehörige Geschichte fortzuschreiben oder gleich ganz zu vollenden. Nichts weniger als eine Revision jener sanktionierten Kunstgeschichte erstrebt nun Christoph Grunenberg, Direktor der Tate Liverpool (der ersten Station der Ausstellung) und leidenschaftlicher Kurator von "Summer of Love", denn nach seinem Willen soll die bisher geringgeachtete und in das Reich des Alltäglichen verwiesene psychedelische Kunst von eben diesem Odium des Kunstgewerblichen gereinigt und endlich den das Jahrzehnt dominierenden Strömungen der Pop Art, Minimal Art und Concept Art gleichgestellt werden. Aber gerade der hierzu notwendige Transfer von Psychedelia, also der oft drogeninduzierten Aesthetica einer sowohl mystisch als auch politisch bewegten emanzipativen Gegenkultur - und beiseite gesprochen gerade das, was ein Clement Greenberg rundweg als Kitsch verdammt hätte - in den institutionellen Kontext sterilisiert viele Werke und beraubt sie ihres angestammten kulturellen Nährbodens, aus dem sie doch alleine gelebt haben. Diese verfremdende Einpassung in den White Cube beeinträchtigt neben den unzähligen psychedelischen Gebrauchsgütern wie Poster, Bücher, Zeitschriften und Platten, die ohnehin mehr der atmosphärischen Unterfütterung und im Verbund mit den die geographischen Zentren der Bewegung erhellenden dokumentarischen Sektionen der kulturhistorischen Illustration dienen, jedoch auch einige der Environments und viele der Filme - mithin vielleicht das Herzstück der Schau -, die einfach im Rahmen eines hochgestimmten, gemeinschaftlichen Erlebens wahrgenommen werden wollen. Besonders sinnfällig wird jenes Defizit beispielsweise an der mit einer Liegelandschaft von Verner Panton zusammengespannten Projektion eines Films von Mark Boyle und Joan Hills: eine blasse, leblose Rekonstruktion der Wirkung eines ursprünglich bei konzertanten Lightshows eingesetzten Formen- und Farbenrauschs. Und so mag sich weder hier noch kaum anderswo der eigentlich von Psychedelia intendierte Zustand der Trance oder Ekstase einstellen, auch wenn dem Besucher durch eine den Ausstellungsraum erfüllende Kakophonie von Anbeginn an seine Seelenruhe genommen wird. Nach dem Wiederfinden des innerlichen Gleichmaßes kann man sich letztlich aber der Erkenntnis nicht mehr verschließen, dass hier zwar viel Buntes und Exzentrisches geboten wird (Janis Joplins Porsche), allein nur weniges davon als hohe Kunst zu bestehen weiß (Gustav Metzgers "Liquid Crystal Projections", Yayoi Kusamas "Infinity Mirrored Room"). Der Rest ist konzeptionelle Hybris.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Summer of Love. Psychedelische Kunst der 60er Jahre
02.11.2005 - 12.02.2006

Schirn Kunsthalle Frankfurt
60311 Frankfurt am Main, Römerberg
Email: welcome@schirn.de
http://www.schirn.de
Öffnungszeiten: Di - So 11.00-19.00 Uhr, Mi - Sa 11.00-22.00 uhr


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