Werbung
,

John Bock: Da jauchzt der Kunsthistoriker

Irgendwann im Vorjahr während des Biennale-Previews in Venedig: John Bock lümmelte mit Assistenten in seiner Installation herum. Alle aßen Pizza aus Kartons. Am nächsten Tag, als Bock dann als "Zero Hero" performte, waren die Pizzareste schon Teil seines Textilwurstenvironments. Bock, so zeigt sich auch in der aktuellen Ausstellung bei Meyer Kainer, verwertet, was ihm zwischen die Finger kommt. In seiner riesigen Collage aus Fotos, einem Video, Zeichnungen und Socken treffen sich Performance-Doku (Bock balanciert Eier auf Hosenträgern, spielt auf einem selbstgebastelten Instrument, werkt mit Holzteilen herum), Brachialsprüche ("So ne Fresse gehört blutig geschlagen") und orthographisch wie grammatikalisch zweifelhafter Psycho-Klamauk ("Das Selbst ist schon lange nicht mehr im Homedepot, ist in Leibesrestschlacke in verkümmerter Achselhöhlengleichniss odder schlucht"). Dann wieder mal ein "Kleines Krüppeldiagramm" mit den Koordinatenebenen "leer und nichtig" sowie einer "Ableitung in den Keller". Gegen dieses Durcheinander wirkt Bocks Installation seltsam abgeschlossen. Seinem Instrument, einem Schlagzeug aus Tonnen, würde jeder Werkerziehungslehrer Respekt zollen. Selbst die Cremedose mit der Sicherheitsnadel, der Zahnseidenhalter im grauslichen Saucentiegel, die an die Wand geschmierte Zahnpaste erscheinen eigenartig durchdacht platziert. Während Bocks Collage einmal mehr das Überbordende feiert, tut die Installation, als wäre sie eine überlegte Komposition. Ganz schön hinterhältig! Bocks Materialschlachten und seine Selbstinszenierung bieten sich optimal zu einer kunsthistorischen Herleitung an. Otto Muehl, Paul McCarthy, Joseph Beuys oder Dada Berlin wurden schon als Ahnen ausgemacht - auch Christoph Schlingensief winkt mit dem Zaunpfahl seines Animatographen herüber. Vielleicht liebt der Kunstbetrieb John Bock aus einer Freude am komparatistischen Diskurs. Vielleicht aber auch aufgrund seiner vorgeblich anarchischen Haltung, die er mit scheinbarer Infantilität und intellektualistischen Einsprengseln kombiniert. Oder Pizzaresten.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

John Bock
18.01 - 23.02.2006

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: