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Czernowitzer Austria: Entleerte Weiblichkeit

Jahrtausende lang waren Frauen im öffentlichen Geschehen praktisch nicht präsent. Und doch werden Allegorien in Denkmälern vielfach von weiblichen Figuren dargestellt. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt, wie Silke Wenk in ihrem wichtigen Text "Versteinerte Weiblichkeit" ausführt. Gerade aufgrund der weiblichen Unterrepräsentanz im öffentlichen Raum eigneten sich Frauenfiguren besonders gut für ihre monumentale Steinwerdung: als undefinierte Masse, deren Individualität nicht gefragt war, stellten sie im politischen und ökonomischen Diskurs eine derartige Leerstelle dar, die sie zur Bedeutungszuweisung geradezu prädestinierte. Wie sehr umgekehrt auch die Allegorien - und Symbole - inhaltlich entleert wurde, führt die Geschichte der Czernowitzer "Austria" vor. 1875 von den Habsburgern errichtet, wurde sie 1918 geklaut. 2003 tauchte sie plötzlich ihres Kopfes und ihrer Arme beraubt wieder auf. Und das "Institut für kulturresistente Güter" nahm sich ihrer an: Zehnfach reproduziert, schickte man die geheimnisvolle Schöne an von Kuratoren ausgewählte Künstler und Künstlerinnen in Ungarn, Polen, der Slowakei, der Ukraine und Österreich, darunter Róza El-Hasan, Ilona Nemeth, Janos Sugár oder die Gruppe XYZ. Die damit anstellen dürfen, was sie wollen. Dies kann man derzeit in der Galerie ArtPoint teilweise in seiner Anfangsphase besichtigen, nebst einer Dokumentation der Wiederauffindung der Statue und Fotos von Symbolen - vom Hammer-und-Sichel-Anstecker bis hin zu Hakenkreuz-Graffittis. Während man sonst also das fertige Ausstellungsprodukt sieht, offenbart sich hier eine Genese (mit Roger Buergels Regierungs-Schauen hat das freilich nichts gemeinsam). Die angefangenen Arbeiten von Abbé Libansky - der gemeinsam mit Barbara Zeidler das Projekt organisiert - und Bernadette Huber nähern sich der "Austria" unterschiedlich: Huber geht die Spannung zwischen weiblicher Allegorie und männlicher Macht an und kombiniert die Reproduktion mit einem Video, in dem, ein wenig simpel, Osama Bin Laden, George W. Bush und natürlich Arnie gemorpht werden, Libansky dagegen führt anhand der Hülle der Austria ihre Entleertheit vor. Die fertigen Arbeiten werden in der Folge an anderen Orten in Europa präsentiert. Und am Schluss der Stadt Czernowitz geschenkt. Ein sympathisches wie kritisches Projekt.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Czernowitzer Austria
10 - 26.01.2006

Galerie ArtPoint / KulturKontakt Austria
1010 Wien, Universitätsstraße 5
Tel: +43 / 1 / 523 87 65 - 14, Fax: +43 / 1 / 523 87 65 - 20
Email: ursula.hilmar@kulturkontakt.or.at
http://www.kulturkontakt.or.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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