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Art & Language: Hitchcock auf der documenta

Zu den Lieblingsbeschäftigungen von Art & Language scheint Verstecken spielen zu gehören. Während sie einen früher Leninköpfe in Farbkleckshaufen suchen ließen, übertünchten sie - für die documenta X - auf Leinwänden kopierte Buchseiten mit Farbe und montierten sie zu Möbelstücken. Mittlerweile malen sie geometrisch-rasterartige, bunte Bilder, aus denen sich beim Näherkommen winzig kleine Buchstaben schälen. Zur besseren Lesbarkeit allerdings haben sie die Bild-Texte nochmal teilweise ausgedruckt und davor auf den Fußboden platziert. Meist geht es darin um Art & Language (Michael Baldwin und Mel Ramsden) selbst im Spiegel der Kunstkritik, Kunst und Künstler im allgemeinen und im speziellen, oder auch, etwas unterhaltsamer, um die unverbesserliche Mrs. Malaprop, eine Figur aus einem englischen Theaterstück des 18. Jahrhunderts. Ihr Problem: Sie verwechselt Worte und plappert so Nonsens vor sich hin, als wäre sie eine wandelnde freudianische Fehlleistung - und auch hier verstecken sich meist entlarvende Andeutungen. Analyse und Irrationalität kombinieren Art & Language meisterhaft: In ihrer documenta-Arbeit (hier ist davon ein Stuhl ausgestellt) spannen sie einen weiten Referenzbogen von Rezeptionsmöglichkeiten über die Theorielastigkeit bis hin zur Historie der Konzeptkunst - und fabulieren dann über Geister und Phantome, die ihre Möbel benutzen könnten. Die Buchstaben S, U, R und F bedeuten bei Art & Language nichts anderes als "Surface" - und Art & Language spielen Oberflächen gegeneinander aus. Wie etwa in ihren Landkarten, die sie mit schwarzen Linien auf fast weiße Puzzles zeichnen, die aber, wenn überhaupt etwas, nur einzelne US-amerikanische Bundesstaaten darstellen. Und wohl nicht zufällig erwähnen Art & Language in diesem Zusammenhang zwei Geschichten von Lewis Carroll. In einer treffen die Bewohner einer Insel den ehrgeizigen Plan, ihre Heimat im Maßstab 1:1 zu kartografieren - und geben das Vorhaben gleich auf: Schließlich könne man doch die Insel selbst als Landkarte benutzen. Die Versteckspiele von Art & Language tragen den Gestus des Aufklärerischen vor sich her. Dahinter muckt immer wieder das Absurde, das Vernunftwidrige und Mystische auf. Wie bei einem guten Hitchcock.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Art & Language
16.12.2005 - 04.02.2006

Galerie Grita Insam
1010 Wien, An der Hülben 3
Tel: + 43 1 512 53 30, Fax: +43 1 512 5330 15
Öffnungszeiten: geschlossen


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