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Vinyl - Records and Covers by Artists: Kammermusik

Wählen wir also einen beliebigen Raum. An der Stirnwand eine Serie von Platten des legendären Berliner Gesamtkunstwerk-Phänomens aus den frühen 1980er Jahren "Die Tödliche Doris", daneben zertrümmert - auf Video gebannt - Ben Vautier im Fluxus-Furor eine Violine oder malträtiert ein Klavier, im Anschluss daran finden sich eine Reihe von minimen Klangobjekten (allerdings sieht man sich eher aufgrund des Kontextes zu dieser Identifizierung veranlasst, denn der Augenschein ist mehrdeutig und die dürren Legenden geben auch nicht mehr als den Urheber der stummen Werke preis), während an der gegenüberliegenden Wand wieder eine Menge an Plattenhüllen ausgestellt sind, die diesmal die musikalischen Experimente der Avantgardisten vom Anfang des Jahrhunderts (der solitäre Duchamp, die Dadaisten, die Futuristen etc.) in Erinnerung rufen. Dies alles wird nun unter dem Zeichen der "Sound Art" vorgestellt, deren gleichsam akademische Manifestationen wie Klangperformance, Klangskulptur und Klanginstallation - abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen - hier jedoch gar nicht zu Gesicht oder Gehör gebracht werden. Vielmehr kapriziert man sich in Bremen darauf, anstatt der elitären und exklusiven Originalkunstwerke hauptsächlich deren mediale Repräsentationen bzw. Reproduktionen in Form der - neuerdings wiederbelebten - Schallplatte in den Blickpunkt zu rücken, womit man nebenbei auch dem avantgardistischen Anliegen der Einebnung der Grenzen zwischen Hoch- und Populärkultur (oder allgemeiner zwischen Kunst und Leben) Rechnung zu tragen sucht. Der wahre und eindeutig weniger theoretische Grund für die gewissermaßen demokratische Zurichtung der Veranstaltung ist aber darin zu suchen, dass es sich hierbei um die Schaustellung einer der größten diesbezüglichen Sammlungen handelt, deren Gründer, Guy Schraenen, in Personalunion zugleich auch als Kurator und Herausgeber des begleitenden Katalogs auftritt. Den ungezügelten Vorlieben und Voreingenommenheiten des privaten Sammlers ist es daher wohl zu verdanken, dass die Ausstellung, auch wenn ein merklicher Akzent auf den Hervorbringungen der 60er, 70er und 80er Jahre liegt, im großen ganzen einen kunterbunten Strauß an Exponaten bereithält, die dabei - wie in einer musikalischen Wunderkammer - in nur lockerer und nicht immer gleich nachvollziehbarer Ordnung präsentiert werden (und von denen an einem zentralen Pult viele Proben auch einhörbar sind). Der weite Bogen spannt sich folglich von ausgesuchten Beispielen visueller Partituren (Darboven, Rühm) über personal oder thematisch motivierte Vitrinen (Nitsch; ungewöhnlich geformte Schallplatten) bis zu popaffinen Design-Arbeiten, die einen unter dieser Macht Sozialisierten dann wahrscheinlich auch die beeindruckendsten Entdeckungen zu machen gestatten: denn die plötzliche Begegnung mit Warhols originalem Bananen-Cover für Velvet Underground oder mit Richard Hamiltons zeitlos-minimalistischem Entwurf für das "White Album" der Beatles kann einen schon aus dem gleichmäßig flanierenden Takt bringen.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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Vinyl - Records and Covers by Artists
21.08 - 27.11.2005

Weserburg - Museum für moderne Kunst
28199 Bremen, Teerhof 20
Tel: 0049 421 59839 0, Fax: 0049 421 505247
Email: mail@weserburg.de
http://www.weserburg.de
Öffnungszeiten: Di-So 11-18 Do 11-20 h


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