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In the Middle of the Night - Die Neuerwerbungen seit 1996: Viele Köche

Wie begeht man auf elegante Weise seinen Bankrott? Man könnte etwa seine letzte Barschaft schicksalsverachtend für ein grandioses Henkersmahl verjubeln und dann alle weitere Hoffnung auf ein Wunder setzen. Nach eben dieser Maxime verfuhr man auch in Bielefeld, wo man nach dem Ausbleiben öffentlicher Zuwendungen Mitte der 90er Jahre seinem musealen Sammlungsauftrag eigentlich schon nicht mehr nachkommen konnte und trotzdem noch - mit dem Notgroschen gleichsam - einen Coup landete: den Erwerb eines ganzen Konvoluts von Hiroshi Sugimoto (darunter Exempel seiner ersten, "Dioramas" genannten Serie), das nun also den Auftakt der Präsentation der Neuerwerbungen des vergangenen Dezenniums bildet. Denn das Wunder stellte sich tatsächlich in Gestalt einer kunstsinnigen Stiftung ein, die sich erbot, der hiesigen Kunsthalle etliche namhafte Leihgaben zur Verfügung zu stellen. Dazu gesellten sich pflichtschuldige Anschaffungen des eigenen Förderkreises sowie verschiedene Legate. Und schließlich diente noch eine "anonyme Bielefelder Gesellschaft bürgerlichen Rechts" ihre Sammlung dem Haus an. So mannigfach und bunt die Schar der - wohl nicht in allen Fällen immer ganz uneigennützigen - Gönner, so vielfältig nimmt sich auch die Zusammenschau der neuen Sammlungsbestände aus. Fast scheint es, als wäre hier die Kunst der letzten hundert Jahre durchalphabetisiert (obgleich es sich natürlich nur um das kleine Abc handeln kann): von A wie Arbus bis Z wie Zadkine. So ertragreich dieser Wille zur Fülle im einzelnen auch ausfällt, zumal wenn man beispielsweise unversehens mit Picassos früher Radierfolge "La suite des saltimbanques" (darunter das berühmte und leider schon zum Postkartenkitsch verkommene Motiv "Le repas frugal") oder mit einer beinahe vollständigen Serie aus Warhols ohnehin kleinem "abstrakten" Werk (die Pollock paraphrasierenden "Yarn paintings") konfrontiert wird, so vermisst man letztlich doch so etwas wie ein stringentes Konzept, das den Eindruck eines beliebigen Allerleis zerstreuen könnte. Einzig in der auffälligen Häufung expressionistischer (Munch, Nolde, Kirchner, Rohlfs) sowie Bielefeld-affiner Künstler (Martin Brockhoff, Friederike Feldmann, Matthias Müller) ließen sich Hinweise auf ein weniger dem Zufall - der Schenkungen und einstweiligen Überlassungen - als einem vorgefassten Plan geschuldetes Tun erkennen, das wohl im Falle der Expressionisten auch einem bisherigen Sammlungsschwerpunkt Rechnung trägt. Und so ergibt sich alles in allem das Bild einer friedlichen, aber genauso spannungslosen Koexistenz zwischen alten Meistern, lokalen Heroen und aktuellen Stars (Tiravanija, Meese), die man, wenn man auf sich hält, zurzeit eben auch vorzeigen können will.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

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In the Middle of the Night - Die Neuerwerbungen seit 1996
08.08 - 06.11.2005

Kunsthalle Bielefeld
33602 Bielefeld, Artur-Ladebeck-Straße 5
Tel: +49 5 21 329 99 50-0, Fax: +49 5 21 329 99 50-50
Email: info@kunsthalle-bielefeld.de
http://www.kunsthalle-bielefeld.de/
Öffnungszeiten: Mo - Di 11.00 - 18.00, Mi 11.00 - 21.00, Sa - So 11.00 - 18.00


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