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Von der Chance eine Diva zu treffen

Die Stimmung war gut, die Säle waren voll an diesem ersten Viennale-Wochenende, und das, obwohl es heuer ein Kino mehr gibt, bei gleicher Anzahl von Filmen wie im letzten Jahr. Selbst das große Gartenbaukino war erstaunlich gut gefüllt, auch tagsüber. Weniger verwundert hat das bei der Galavorstellung von "Dust" (Regie: Marion Hänsel, B/F 1985), dessen Star Jane Birkin anwesend war und nach der Projektion zum Gespräch auf die Bühne hüpfte. Nur ein bisschen Diva, plauderte die Schauspielerin und Chansonniere über ihr Leben und ihre Filme. Dass aus dem Tribute-Programm, das die Viennale heuer Jane Birkin widmet, ausgerechnet "Dust" für die Gala gewählt wurde, soll ihr Wunsch gewesen sein, weil es eine ihrer seltenen ernsten Rollen ist. Aus ihrer Sicht ist das verständlich. Jane Birkins Performance in "Dust" ist sehr intensiv. Das Kinopublikum hätte sich aber vermutlich doch einen besseren Film gewünscht. Marion Hänsels "ihren Vätern" gewidmetes Werk um eine Vater-Tochter-Beziehung in der Einsamkeit einer südafrikanischen Farm entwickelt nicht die Kraft, die von Birkin exzellent ausgedrückten Gefühle von Wahnsinn und sexuellen Obsessionen auf filmischer Ebene umzusetzen. Die zweite Filmikone dieses Wochenendes war die chinesische Schauspielerin Ruan Lingyu, einer der größten weiblichen Stars der Shanghaier Stummfilmzeit, der aus Anlass von hundert Jahren Film in China ein Special Program gewidmet ist. Auf das beeindruckende Sozialdrama "Shen nu" ("The Goddess", 1934) um eine Prostituierte, die gegen widrigste Umstände um die Freiheit ihrer Lebensführung und eine Chance für ihr Kind kämpft, folgte die Spieldoku "Yuen Ling-Yuk" (Center Stage) von Stanley Kwan mit einem anderen chinesischen Star in der Hauptrolle: Maggie Cheung spielt Ruan Lingyu. Der 1991 gedrehte Dokufilm wurde kürzlich restauriert und vermittelt viel von der Verehrung, die Ruan Lingyu, die mit 25 Jahren Selbstmord beging, heute noch genießt, wenn auch die Spielszenen mit den Trauernden einfach zu stark ausgewalzt worden sind. Das wahrhaftige Highlight des Wochenendes war Stanley Kwans "Yuen Ling-Yuk" nun einmal nicht. Das war "Match Point", Woody Allens neuer Film. Dieser geniale Komiker hat als Regisseur in den letzten Jahren alles Manirierte, "Stadtneurotische", das wir an ihm so liebten, abgelegt, und ist zum legitimen Inhaber von Leichtigkeit geworden. Leichtigkeit kennzeichnet seine Art, Geschichten zu erzählen, die eigentlich ganz schwer und existentiell sind. Mit Leichtigkeit meistert er seine eigene Meisterschaft Filme zu machen. Man könnte sagen, Woody Allen schwebt als Regisseur mittlerweile in einer Art Olymp, der ein bisschen antikes Theater, ein bisschen Freuds Sprechzimmer ist, aber immer unsichtbar fürs Publikum. Nur einmal lässt er sein früheres Ich durchblicken und zwar in der eher beiläufigen Dialogzeile: "Sie ist ja so glücklich mit ihrem Mann. Ihre Neurosen ergänzen sich so gut. So viele unglückliche Beziehungen und dann lernen sie sich bei einem Autounfall kennen." Ach ja: "Match Point" handelt gerade von Zufall, Chance und Glück. www.viennale.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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