Iris Meder †,
Heut geh ich ichs Presszó
Der weiße Funktionalismus war wohl die Epoche der Architektur, die am meisten auf kongeniale Fotografen angewiesen war. Menschenleere Bauten erglänzen da in perfekter Orthogonalität, eventuelle Passanten eliminiert die lange Belichtungszeit, der sorgfältig gewählte Bildausschnitt in- und exkludiert nachdrücklich. Die ikonischen Bilder etwa der Dessauer Bauhaus-Meisterhäuser oder des Hauses Tugendhat ersetzten über Jahrzehnte die originale Anschauung der böse veränderten oder aus politischen Gründen nicht zugänglichen Originale.
Die großformatigen vintage prints ungarischer Architekturfotografen zeigen Bauten, die dem Großteil der Ausstellungsbesucher unbekannt sein dürften. Zu entdecken ist eine blühende Metropole, die das Attribut "Paris des Ostens" mit Sicherheit verdient, so mondän sind ihre weißen Villenquader, die in all ihrer neusachlichen Strenge immer eine geheime Verspieltheit beinhalten, so elegant die lichtdurchfluteten Treppenhäuser, so à la mode die Espressi und Selbstbedienungs-Lokale in Einkaufsstraßen und Bahnhöfen, die den Betrachter in einen Strudel aus Opalglas, Stahlrohr, weichen Polstern und Edelholz-Furnieren ziehen. Man kann sie fast nicht anschauen, ohne Jazzmusik und nonchalantes Stimmengewirr zu hören.
Was störte, wurde mit feinem Pinsel weg-, was betont sein wollte, hineinretuschiert. Die Fotos inszenieren und interpretieren sich immer selbst. Da die Schau (im Gegensatz zum hervorragenden Katalog) auf Grundrisse verzichtet, wird der Besuch der Ausstellung zum Eintauchen in das Bilderbuch der ungarischen Moderne verführt, die nichts von ihrer Faszination verloren hat.
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