Werbung
,

Weinbau revisited

War das schön, als der Genuss von Wein noch nicht von diesen Zwangshandlungen begleitet war: jedes Pressglas am Fuß zu umkrampfen, das Tröpferl hektisch im Kreis herumzuschwenken und durch Kommentare, die keiner hören will, zusätzlich sicherzustellen, dass die eigene Kennerschaft niemandem verborgen bleibt. Damals zierten mitteleuropäische Weinetiketten zuverlässig Ranken, dickbäuchige Kellermeister und barocke Riesenfässer, und Weingüter existierten im baulichen Sinne vielleicht in Bordeaux, keineswegs aber hierzulande. Nicht nur dass die netten Kellermeister heute keine Frostschutzmittel mehr in ihre Erzeugnisse mischen, auch die dicken Bäuche sind zugunsten von dynamischer Szenigkeit verschwunden. Und auch sonst ist alles anders. Man füllt jetzt selber ab, nicht selten dient eine Art Showroom der Präsentation beim Kunden. Bei der Recherche ist das AZW auf erstaunlich viele architektonisch anspruchsvolle Weingüter in Österreich gestoßen. Dabei hilft sicher die Tatsache, dass landwirtschaftliche Nutzbauten von der Bauordnung ausgenommen sind. Die zu erwartenden Krüppelwalmdächer und Dachgauben sucht man vergebens; zeitgemäße Ästhetik, die sich zum industriellen Charakter der Traubenverarbeitung bekennt, prägt das Bild. Kein Zweifel: der Winzer ist ein Lifestyle-Lieferant erster Güte geworden; der Weinbeißer der Hans-Moser-Filme würde sich wohl nicht mehr so recht wohlfühlen. Vereinzelt sind sogar die rustikalen Heurigen der letztem Generationen Schankstuben gewichen, die eine schlichte Formensprache ohne Design-Schnickschnack-Peinlichkeiten prägt. Zeit wird?s; Vorbilder lieferten in der Zwischenkriegszeit die Gasthäuser von Clemens Holzmeister und die längst verschwundene "Schwemme" in Erich Boltensterns Kahlenberg-Restaurant. Wer sagt´s denn: So geht´s doch auch. Dass in der schön gestalteten Ausstellung auch der Selbstdarstellung der Winzer viel Raum gewährt wird, nehmen wir hin. Der Sprachwitz der Texte in Ausstellung und Katalog macht das mehr als wett. (Bis 06.02.2006)
Mehr Texte von Iris Meder †

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: