Isabella Marboe,
Gebündelte Energie zum Buch gebunden
An seiner Realutopie des Steinhauses wird Günther Domenig wohl lebenslang bauen. Wesenhaft wuchert, schuppt, faltet, kantet und schlitzt sich dieses sichtbeton-stahl-glasgewordene Manifest höchsten Anspruchs in die Kärntner Landschaft. Ein einmaliger, vom starken Gestaltungswillen seines Schöpfers in Balance gehaltener Ort, wo sich an überbordend dynamischen Formen die Widersprüche des Lebens zu brechen scheinen. Die zähe Leidenschaft, mit der er seit Jahren sein Steinhaus umformt, prägt seine gesamte Persönlichkeit, die sich in prägnanten Skizzen Bahn brach und in expressiver Geste neue Räume erschloss.
Domenig hat eine klare Handschrift, erstarrte aber nie und entwickelte sich weiter. Das beachtliche Arbeitspensum, das er ab Mitte der 80er oft in Partnerschaften bewältigte, ist nun im Buch "Günther Domenig - recent work" zu begutachten. Drei Einstiegstexte geben das intellektuelle Verständnisrüstzeug zum Weg durch den folgenden Architekturparcours der Marke Domenig. Behutsam poetisch umschreibt Thom Mayne den Menschen, Peter Noever widmet sich dem Künstlerarchitekten, Herausgeber Matthias Boeckl seinem Werdegang und den Marksteinbauten im Gesamtwerk. Kenntnis-und bezugsreich verortet sein bebilderter Essay Person und Oeuvre in prägenden Zeitströmungen und weltweiter Architekturproduktion.
Materie gewordene Energielinien bestimmen Domenigs Bauten, deren Wesensmerkmal die Bewegung ist, als Synthese aus Expression, Vernunft und Pragmatik prägt sie auch seine Schulen, Spitäler und größere Zweckbauten. Kurztexte, ausführliche Bildstrecken, ergänzt von Handskizzen, Modellen und Plänen, vermitteln das Wesen des Gebauten in gewichteter Breite. Highlights der letzten Jahre, wie das T-Center als schwingenflügelschlagende Büro-Landmark an der Südosttangente (mit Architektur Consult ZT GmbH), das aufsehenerregende Dokumentationszentrum am Reichsparteitagsgelände in Nürnberg (mit Gerhard Wallner), die Gestaltung der Kärntner Landesausstellung und das Steinhaus als persönliches Opus magnun nehmen besonders viel Raum ein.
Dazwischen sind noch viele weitere Facetten und Dimensionen, in denen Domenigs Persönlichkeit Ausdruck fand, zu entdecken. Sie reichen von der hochdynamischen Skulptur "Vogel-Nix-Nuz-Nix" über Bühnenbild und Kostüme für "Elektra" bis hin zur disziplinierten Gestaltung der Außenringautobahn (mit Hermann Eisenköck). Ein schönes Buch, das Domenig und seinen jüngeren Arbeiten gerecht wird.
Boeckl, M. (Hrsg.)
Günther Domenig - Recent Work
Mit einem Vorwort von Thom Mayne.
Springer Wien New York 2005.
296 Seiten. Zahlreiche, großteils farbige Abbildungen. Format: 23 x 28 cm
Text: deutsch/englisch
ISBN 3-211-83876-7
Mehr Texte von Isabella Marboe