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Aufblasen, reisen, verdichten

Allein der bahnhofsarealprägende Sudhaus-Turm des Adam Bräu, das Lois Welzenbacher 1926-27 plante, ist dank der umsichtig-rudimentären Umgestaltung zum "aut.architektur und tirol"-Forum durch Thomas Giner, Erich Wucherer, Andreas Pfeifer und Rainer Köberl ein Lehrstück feiner Architekturwahrnehmung. Hohe, weiße, von zartstahlprofilierten Fenstern belichtete Räume, runde Holzkreise anstelle ehemaliger Kupferkessel im dunkelgrauen Boden, Galerien und schwarze, elegante Geländer bilden ein ideales Ambiente. Auf drei Raumebenen nähern sich die aktuellen Schauen dem Phänomen Architektur sehr unterschiedlich. Visionär-witzig nimmt "Blow-Job" von Nina Mair und Horst Philipp die obere Galerie mit weißen, aufgeblasenen Pneu-Bällen von 30cm Durchmesser in Beschlag. Vakuumverschweißt wie Erdnüsse oder andere gängige Konsumgüter werden die verspielt-träumerischen Einzelobjekte zum weichwuchernden Kugelgebilde, wo sich auf pneumatischen Kissen gebettet im "Making-of" Video das lustvolle Ringen mit dem kleinen, sprunghaften Schüttgut verfolgen lässt. Im Körperfeeling am eins-zu-eins Raummöbel sieht Architekt Michael Schultes ein beweisstarkes Argument fürs Vakuumschweißen als Methode der Zukunft. Verdichten statt aufblasen ist das Motto der Möbel darunter. Sie sind vom brillanten Jahrhundertdenker Ezra Pound und haben eine kompromisslose Hinterfragungsprozedur auf ihre tatsächliche Notwendigkeit hinter sich. "Es kommt nicht darauf an, welches Bein von deinem Tisch du zuerst machst, solang der Tisch vier Beine und einen guten Stand hat, wenn du fertig bist." Hier zählt das Wesentliche, kein Teil ist zu viel, und doch weisen die kargen, buntgestrichenen Holzmöbel über den reinen Gebrauch weit hinaus. Pound lebte so stringent, wie er schrieb, erdachte und baute die eigenwillig reduzierten, grobgenagelten Sessel, Hocker, Liegestühle und Tische selbst aus Kanthölzern, Brettern, Platten. Sie betrachten wird zu purer Philosophie, zur Meditation über Sitzen, Essen, Schreiben. Alles trägt Sinn, dient Füßen als Stütze, Papier als Ablage oder dem Ganzen als Verbindungselement. Der Maßstabsprung in die weite Landschaft vollzieht sich im Keller, wo Nikolaus Schletterers Fotografien zu sehen sind. Hügel aus Findelsteinen in Frankreich, schwarz wucherndes Weidegestrüpp in Kufstein, Wolken, die über ein endlos scheinendes Kürbisfeld in Deutschland ziehen, sommerliche Lawinenschutzverbauung in St. Anton in Tirol: jeder Landschaft ihre Textur.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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