Werbung
,

Always a Little Further: Selbsterfahrungstrip statt Bildungsreise

Wenn eine Ausstellung eine Reise ist, wie es uns Rosa Martínez nahelegt, dann beginnt die von ihr kuratierte im immer wieder wunderbaren Arsenale mit falschen Erwartungen. Oder auch wieder nicht. Gleich am Anfang nämlich prangern die Guerilla Girls auf ihren Posters in bewährter Manier die noch immer aktuelle männliche Dominanz im Kulturbetrieb an. Im selben Raum hängt ein überdimensionaler Leuchter von Joana Vasconcelos, bestückt mit 14 000 Tampons, für den die Süddeutsche die einzig richtige Bezeichnung gefunden hat: dämlich. Und dennoch: ein Statement. Plakativ, politisch, engagiert, kritisch, feministisch könnte, so folgert man, diese Ausstellung mit ihrem nichtssagenden Titel ausgerichtet sein. Weit gefehlt. Tatsächlich trieb Regina José Galindo mit ihrem radikalen Video von ihrer Jungfernhäutchen-Rekonstruktion Rocco Buttiglione die Zornesröte ins Gesicht - und bekam sogar den Goldenen Löwen für die beste Nachwuchskünstlerin. Kritische Arbeiten wie diese Performance bleiben allerdings in der Minderzahl. Lieber schickt man das Publikum auf Reisen in andere Sphären: In Mariko Moris Wave UFO guckt man hübsche, angeblich per Brainwave-interface generierte Bildchen und relaxt. In Sergio Vegas orange-grünen Environment lümmelt man herum und hört Bossanova, in John Bocks Trashwelt bewundert man ebendiesen, wie er sich als obsessiver "Hero Zero" durch wattegefüllte Pulloverhaufen wühlt und existentialistischen Kauderwelsch kreischt. Oder man taucht in Carlos Garaicoas finstere Halle, in der wenig Licht durch Löcher in der Form von venezianischen Bauten einfällt. Auch in ihrem kurzen, etwas eitlen Katalogessay spricht die Kuratorin von "romantischen Illusionen" und vom "Schaffen temporärer Welten". Letzteres scheint ihr gelungen zu sein. Inhaltlich sind diese Welten allerdings nicht gerade die komplexesten. Appellierten die Ausstellungen im Arsenale bei der vorigen Biennale in ihrer Sprödheit vielfach eher ans Hirn, so setzt man diesmal auf das Sinnliche, Emotionale. Es ist keine Bildungsreise, auf die uns Martínez mitnimmt. Und auch kein Guerillacamp. Eher schon ein Selbsterfahrungstrip.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Always a Little Further
12.06 - 06.11.2005

La Biennale di Venezia - Arsenale & Giardini
30122 Venezia,
http://www.labiennale.org
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h, Fr, Sa bis 20 h,
Montag geschlossen außer 25/07, 15/08, 5/09, 19/09, 31/10, 21/11


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: