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Aufgetaucht. Historische Stereofotografie und Arbeiten von Oliver Hangl im Kaiserpanorama: Anleitung zum Schielen

Manchmal ist der Zufall der beste Kurator: Hier ein junger Künstler, der seit einigen Jahren konzeptuell mit Stereofotografie arbeitet, dort ein Wiener Fotomuseum, das eben eines der wenigen noch existierenden Exemplare einer historischen Stereofotografiebetrachtungsmaschine, ein sogenanntes Kaiserpanorama, angekauft hat. Zusammen gebracht hat sie ein Ungenannter, der von beiden wusste. Das Ergebnis ist sehr zu empfehlen: Oliver Hangls Stereofotos treten in einen Dialog mit dem historischen Medium und stülpen zugleich dessen Funktionen nach außen. Gemütlich sitzend und ohne sich vom Fleck zu bewegen macht der Betrachter an der ehrwürdigen Maschine eine Reise um die Welt in fünfzig Bildern. Zuerst sind es teils handkolorierte, durch den Stereoeffekt dreidimensional aussehende historische Ansichten einschlägiger Sehenswürdigkeiten von den Pyramiden bis zur Brooklyn Bridge; dann folgen Oliver Hangls etwas rätselhafte Szenen. Der wirklich wesentliche Unterschied: Hangls Szenarien enthalten sämtlich eine Art blinden Fleck, an dem der 3D-Effekt nicht greift. Es ist immer das Abbild Oliver Hangls, an dem diese Störung "auftaucht". Übrigens ein schönes Bild: Der Künstler ist die Stelle, an der die übliche Art der Konstruktion von Welt unvollkommen bleibt. Freundlicherweise legt Hangl aber auch die Konstruktion der Störung offen: Mit seiner Stereokamera fotografierte er dasselbe Setting jeweils zweimal, einmal mit, einmal ohne seine Person, und fügte die Fotos zu ungleichen Paaren. Manchmal ersetzt ein anderer Mann oder eine Frau in gleicher Haltung den Künstler im zweiten Foto, manchmal bleibt nur der Hintergrund. Daher die Überlappung von Bildgegenständen, die nicht zur Deckung kommen können. In einigen Metern Abstand vor zusätzlichen, auf etwa 60 x 60 cm ausgearbeiteten Fotopaaren stehend, soll der Betrachter versuchen seinem Hirn dieselbe Wahrnehmungsleistung zu entlocken wie am Kaiserpanorama, jedoch ohne optisches Gerät. Und es funktioniert: Schielt man richtig, sieht man nicht zwei, sondern drei Bilder, deren mittleres mit einiger Geduld und Übung räumliche Tiefe in perfekter Klarheit suggeriert. Seit Rudolf Arnheim wissen wir, dass die visuelle Wahrnehmung nicht bloß Sinneseindruck, sondern Denken ist. Oliver Hangl macht deren zwingende Muster sichtbar. Via Sehnerv dringt er in die Köpfe ein und spaziert höchstselbst darin herum. Sein Abbild markiert dabei die Stelle, an der aus Anschauung Idea wird.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Aufgetaucht. Historische Stereofotografie und Arbeiten von Oliver Hangl im Kaiserpanorama
21.06 - 31.07.2005

Westlicht
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