Werbung
,

Polaroid als Geste: Renaissance des Polaroids

Eigentlich hätte man das Phänomen Polaroid obsolet gewähnt - von seinen legitimen Erben, der Lomographie und der digitalen Fotografie, in die medialen Archive verbannt und dort als Kuriosum einer längst vergangenen Epoche bestaunt. Aber tatsächlich erfreut sich das Polaroid auch - und gerade wieder - in der zeitgenössischen Kunst einer ungebrochenen Beliebtheit, wie die aktuelle Ausstellung des Museum für Fotografie in Braunschweig aufzuzeigen sucht. Dabei unternimmt es die ambitionierte Schau, anhand von 18 verschiedenen, in mehrere traditionelle Sektionen (Portrait, Dokumentation, Abstraktion etc.) unterteilten Positionen die technischen und medialen Besonderheiten des Polaroids, nämlich seine instantane, nicht restlos beherrschbare Erzeugung und seine spezifische Materialität, zu verdeutlichen. So ist die grelle Farbigkeit in Stefanie Schneiders surreal anmutender Inszenierung "Long Way Home" der Tatsache geschuldet, dass die Haltbarkeit des verwendeten Polaroidfilms überschritten und daher einem ungewissen, dem Zufall ausgesetzten Entwicklungsprozess überantwortet war, während Herbert Döring-Spengler und Jürgen Kuschnik eben diesen Prozess hintanhalten, um mittels der dadurch ermöglichten Manipulation der Emulsion dem fotographischen Unikat einen malerischen Duktus zu verleihen. Und das Instantane des Polaroids korrespondiert auf schlechterdings beispielhafte Weise mit Erwin Wurms "One minute sculptures", deren ephemerer Charakter geradezu nach augenblicklicher Festhaltung verlangt. Zudem lässt sich beobachten, dass dem Polaroid aufgrund seiner durch die medienimmanente Flächigkeit, Farbigkeit etc. bedingten, stets etwas verfremdeten Erscheinung oftmals ein Air von Spontaneität, Unmittelbarkeit und Intimität anhaftet (so auch schon in den ältesten gezeigten Arbeiten, in Dieter Roths "Harmonica Curse" und Anna und Bernhard Blumes Serie "gegenseitig"); das Sofortbild mithin vorrangig wie eine private, amateurhafte Momentaufnahme einherkommt und daher Authentizität zu beanspruchen vermag, weshalb es auch nicht wundernimmt, dass es gerade in dem Moment eine kleine Renaissance erlebt, als die unter permanentem Manipulationsverdacht stehende digitale Fotografie die Vorherrschaft anzutreten im Begriffe ist. Weiters könnte man vermuten, dass sich einige zeitgenössische Künstler mit der Hinwendung zum Polaroid durchaus vor dem postmodernen Zeitgeist verneigen, der schon seit längerem jede Wiederaufnahme, jede Wiederaufbereitung einer vergangenen Mode brav belohnt. Und jenem Zeitgeist würde man auch opfern, wenn die dem Polaroid gleichsam eingeschriebene Unschärfe, ebenso wie auch sein unleugbarer Hang zum Seriellen bzw. zur Pluralität, sich nicht nur zufällig mit denselben Phänomenen in der rezenten Bilder- und Werbeästhetik deckte, deren ideologische Bestimmung letztlich darin besteht, ein unkritisches und wohliges Einvernehmen mit dem Status quo herzustellen.
Mehr Texte von Peter Kunitzky

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Polaroid als Geste
14.04 - 24.07.2005

Museum für Photographie
38102 Braunschweig, Helmstedter Strasse 1
Tel: +49 531 7 50 00, Fax: +49 531 7 50 36
Email: info@photomuseum.de
http://www.photomuseum.de/
Öffnungszeiten: Di-So 13-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: