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Zeitreise in Bildern

Über sechzig Millionen Tote, ein unbewältigbares Ausmaß von Leid, Schuld, seelischer Zerrüttung, verbrannter Erde, zerstörter Städte, Milliarden Tonnen Schutt und Asche: nach dem zweiten Weltkrieg war nichts mehr, wie es vorher war. Bis heute tragen Völker, letzte Überlebende und deren Enkel an den Wunden, die Gewalt und Verbrechen dieser globalen Katastrophe hinterließen. Vor extremen Erfahrungen versagt das Wort, in Bildern sind sie zu erahnen. Mit einem sensiblen Gespür für die Ausdruckskraft schicksalsgezeichneter, menschlicher Gesichter und einem untrüglichen Sinn für den richtigen Moment streifte Ernst Haas durchs zerbombte Nachkriegs-Wien. Auf einem seiner berühmtesten Bilder trifft der erwartungsvoll suchende Blick einer Mutter mit dem Foto ihres Sohnes in der vorgestreckten Hand auf das erleichterte Lachen eines teilnahmslos vorbeischreitenden Heimkehrers. Haas glückten damals einige Bilder von zeitloser Aussagekraft, die über das Dokumentarische hinausreichen und den Grundstein seiner Karriere zu einem der bedeutendsten Fotografen des 20. Jhts. legten. Im jubelschwangeren Jubiläumsjahr bietet der vom Museum der Moderne Salzburg Rupertinum herausgegebene Bildband "Ernst Haas - eine Welt in Trümmern" Gegenbilder in damalige Realverhältnisse. In eindringlichen Momentaufnahmen öffnen diese frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von 1945-48 Fenster die kriegszerstörte Stadt, werfen Streiflichter in die Lebenswelt einer verschworenen Schicksalsgemeinschaft. Es sind vor allem Menschen und Szenen, auf die der sensible Beobachter Ernst Haas seine Kamera richtete und so der Nachkriegsgeneration Gesichter gab: erschöpfte, hoffnungsvolle, verzweifelte, schamhaft sich abwendende. Gekrümmte, verletzte Körper, Schlafende, Hungrige an zerbeulten Blechnäpfen, Obdachlose, umtriebig in Seitengassen Handelnde, Menschenschlangen vor Hausgerippen, Kriegsverletzte, magere Kinder, ein unsagbar zerschlissenes Paar Schuhe, aber auch beglückt findende Umarmungen, ein strahlender Heimkehrer mit seinem ratlos blickenden Kind im Arm, ein schwarzer Besatzungssoldat neben einer Wiener Schönheit: "Eine Welt in Trümmern" ist eine Zeitreise in Bildern. Was sie verschweigen, klingt in Albert Lichtblaus Essay an. Vergangen, aber nicht vorbei. Ernst Haas: Eine Welt in Trümmern. Wien 1945 - 1948. Ein Fotoessay. Bibliothek der Provinz Verlag, Weitra 2005 ISBN 3852524873 Gebunden, 144 Seiten
Mehr Texte von Isabella Marboe

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