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Erwin Wurm: Surrealismus des Hier und Jetzt

Seit es eine Gattungsästhetik gibt, also seit dem späten 18. Jahrhundert, beantwortet man, mit Johann Gottfried Herder als herausragendem Theoretiker, die Frage nach dem Unterschied von Malerei und Skulptur gern folgendermaßen: Malen ist Organisation von Oberfläche, und sie arbeitet in erster Linie mit dem Sehen; Skulptur dagegen apelliert an den Tastsinn, und sie arrangiert in erster Linie Körper. Erwin Wurm ist einer der profiliertesten österreichischen Künstler geworden, indem er das Diktum vom Physischen des Plastischen schlicht wörtlich genommen hat. Seine "One-Minute-", seine "Outdoor-" und seine "Indoor-Sculptures" liefern durchgehend Szenarien einer Begegnung des eigenen Körpers mit einem fremden. Der eigene Körper, das ist jene biologisch-sensitive Masse, die ein Bewußtsein von sich erlangt, indem sie sich fühlen fühlt. Der fremde Körper, das ist ein Allerweltsgegenstand, der als Obst daherkommt, als Kleidungsstück oder als Verkehrsschild. Die Begegnung beider schließlich, das ist eine skurrile Operation der Anpassung, des Geschmeidigmachens zweier Dreidimensionalitäten, die augenscheinlich nicht füreinander geschaffen sind. Bei Ursula Krinzinger sind nun jüngere Beispiele für Wurms Skulpturen-Trias ausgestellt. Diese Beispiele haben selbst keine plastische Präsenz; sie sind Dokumente, großformatige Fotos oder Videoprojektionen. Zusätzlich gibt es Objekte, die zum Nachvollzug einladen, einen Tisch etwa, dessen Platte als Liegestatt angeboten wird. Wurms Werke sind ganz von dieser Welt. Wenn sich der Museumsmann kopfüber in den Kübel verfügt oder der Bankmanager zwei Spargelstangen in die Nasenlöcher geschoben hat, dann geht es gewitzt zu. Und wo Witz ist, da ist jede Eigentlichkeit, jede Wesenhaftigkeit fern. Skulptur, das ist Performance, das ist das Augenblicksglück, die zufällige Begegnung einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch am eigenen Leib zu spüren. Wurms Welt, das ist Surrealismus des Hier und Jetzt.

Mehr Texte von Rainer Metzger

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Erwin Wurm
27.02 - 12.05.2001

Galerie Krinzinger
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 1 513 30 06, Fax: +43 1 513 30 06 33
Email: krinzinger@galerie-krinzinger.at
http://www.galerie-krinzinger.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 12-18, Sa 11-14 h


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