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Der Künstler ist empört.

Der spanische Künstler Santiago Sierra füllte in seiner letzten Ausstellung den Hauptraum der Kestner Gesellschaft mit mehreren Tonnen Schlamm. "Haus im Schlamm" sollte an die Aushebung des Hannoveranischen Maschsees von 1934 - 1936 durch 1650 "Notstands-Arbeiter" erinnern. Das Publikum sollte dabei in der Vorstellung des Künstlers als Mitakteur mit seinen Füssen den Schlamm in die anschließenden leeren Räume der Kestnergesellschaft tragen. Einige von ihnen spielten nicht mit und lieber mit dem Schlamm und verschmierten die Wände. Daraufhin war der Künstler empört und rief nach einem strengeren Bewachungsteam, das alles vom Künstler nicht Gewollte energisch unterbinden sollte. Jetzt bin ich nicht etwa empört darüber, dass der Künstler empört war - aber wundern tu ich mich trotzdem. Was hat er erwartet - dass die BesucherInnen das tun, was er gern hätte, dass sie tun? Schön brav die Füße schmutzig machen und nachdenklich und politisch korrekt in die leeren oberen Museumsräume schlurfen - vielleicht sogar gehen? Entsetzt sein, dass sich einige lieber dem angeboren-verspielten Schlammschlachten und -schmieren hingeben statt politisch ehrfürchtigen Gedanken nachzuhängen? Liegt es an der Ignoranz des Publikums? Oder liegt es nicht vielleicht doch am Künstler oder der Künstlerin, wenn sie nicht verstanden werden? Sollen sie sich unmissverständlicher ausdrücken und ihre Kunstwerke jedes Mal didaktisch eindeutig aufbereiten, damit keine Missverständnisse entstehen und bei einigen BesucherInnen nicht der banale Spieltrieb oder das ignorante Missverständnis die Oberhand gewinnt? Können die KünstlerInnen von allen BesucherInnen - im vorliegenden Fall sind es ja nicht alle gewesen, die die Empörung des Künstlers ausgelöst haben - die gleiche Sensibilität, die gleiche soziale und künstlerisch-politische Sichtweise verlangen? Kann/soll/muss/darf es den KünstlerInnen nicht egal sein, was sich die BesucherInnen beim Anblick des jeweiligen Kunstwerks denken, was sie fühlen und was sie fühlen wollen? Fragen über Fragen über Fragen.
Mehr Texte von Manfred M. Lang

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