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Massimo Vitali - Fotografie 1995-2004: Machtposition am Hausmeisterstrand

Bald geht es wieder los. Wenn der sprichwörtliche Hausmeister aus Favoriten samt Familie sein Auto besteigt und sich gemeinsam mit ungefähr einer Million anderer "Urlauber" Richtung Caorle oder Lignano wälzt - dann kochen die Emotionen in den trägen Blechschlangen parallel zur Temperatur des Asphalts. Der Ort der Sehnsüchte besteht dann recht oft vor allem aus Hotelkomplexen und Sonnenbatterien. So in etwa sehen die Freizeitorte aus, die Massimo Vitali in seinen riesenhaften Fotografien dokumentiert. Riccione: Liegen in Reih und Glied. Viarreggio: Menschenmassen, die in eine Richtung schauen. Und dasselbe in Weiß findet er im Wintersport: Vor Bettenburgen, die jenen an der italienischen Adria frappant ähneln, tummeln sich buntgekleidete Schifahrer, verlieren sich im Schnee der französischen Alpen, ähnlich wie in den Fotografien eines Walter Niedermayr. Vitalis Bilder sind ein bisschen wie Suchbilder, erinnern aber auch an Historien- oder Renaissance-Malerei - vor allem der Niederländer wie etwa Brueghel oder Bosch. Tagelang verharrt er fotografierend auf einem selbstkonstruierten transportablen Plateau mit seiner Großformatkamera, die selbst kleinste Details gestochen scharf aufnehmen kann. Das bedeutet erstens: Irgendwann verschwindet er mit seiner großen Kamera aus dem Wahrnehmungsfeld, niemand fühlt sich mehr derart beobachtet. Und zweitens hat er auf seinem Hochstand das Territorium und seine temporären Bewohner wie ein Jäger das Wild gut unter Kontrolle - und wahrt dabei die eigene Distanz Obwohl Vitalis Fotografien spannende Relationen zwischen Individuum und Masse, Natürlichkeit und Künstlichkeit, Sinn und Unsinn von Urlauben enthüllen, bleibt ein schaler Nachgeschmack. Gewiss: Schon Walker Evans hat in der New Yorker U-Bahn heimlich die Passanten fotografiert. Zu Vitalis kontrollierendem Blick verhält sich das allerdings so wie die Camera Obscura zur Digitalkamera am Mobiltelefon. Gerade in einer Gesellschaft, die das Überwacht- und Kontrolliertwerden immer mehr inkorporiert, erscheint dieser nonchalante Umgang mit der Macht des Blicks unreflektiert und problematisch.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Massimo Vitali - Fotografie 1995-2004
17.06 - 02.10.2005

Lentos Kunstmuseum Linz
4020 Linz, Ernst-Koref-Promendade 1
Tel: +43 70 7070 36 00
Email: info@lentos.at
http://www.lentos.at
Öffnungszeiten: täglich außer Mo 10-18 Uhr, Do 10-21 Uhr


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