Möbeldesign der 50er - Lilien-Porzellan: Der Mops des Kanzlers

Ja, so waren sie. Eigentlich fest verwurzelt in der Wiener Moderne der zwanziger und dreißiger Jahre, im Werkbund, im Denken der Kunstgewerbeschule am Stubenring. Und dann das: ein Monstrum von einem Schrank, ungeschlacht wie ein überdimensionierter Mops, mit holzgeschnitzten Wappen. Dazu ein wannenartiges Ungetüm von Sofa, mit Zierknöpfen, an Spießigkeit kaum zu übertreffen, erschütternderweise entstanden auf dem Zeichenbrett des großen Oswald Haerdtl für das Büro von Bundeskanzler Leopold Figl. War nicht genau das das Wien der Nachkriegszeit? Das Sich-Arrangieren, das halbherzige, zahnlose Anknüpfen an die große Tradition, die Kultur des "Wiener Wohnens" der Zwischenkriegszeit, die zu geschätzten 90 % in die Emigration ging und von dort als das "schwedische Wohnen" Josef Franks wiederkam. Die Ausstellung präsentiert diese legendäre Wiener Wohnkultur zu Recht in einigen markanten Beispielen als Voraussetzung des österreichischen Nachkriegs-Möbeldesigns. Da gab es dann auch Figuren wie Anna-Lülja Praun, die Franks Einrichtungsunternehmen "Haus und Garten" auf hohem Niveau gestalterisch weiterführte, und natürlich die mittlerweile zu zeitklosen Klassikern aufgestiegenen Entwürfe von Roland Rainer. Dessen berühmter gelochter "Stadthallenstuhl", so erfährt man, wurde indes gar nicht für diese entworfen, sondern fand bereits 1952 in Rainers in den achtziger Jahren unverzeihlicherweise demoliertem Franz-Domes-Lehrlingsheim Verwendung. Bemerkenswert auch Franz Schusters SW-Möbel, bei denen SW für "soziale Wohnkultur" stand und die Schusters Aufbaumöbel-Konzepte der zwanziger Jahre weiterführten, und die bis heute produzierten Entwürfe der Metallwerkstatt von Carl Auböck. Ein Eames, ein Jacobsen, ein Saarinen fand sich im Österreich der Fünfziger freilich nicht mehr. Die große Zeit, das wird klar, lag vor 1938.

Mehr Texte von Iris Meder †

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!

Möbeldesign der 50er - Lilien-Porzellan
11.05 - 06.11.2005

Möbelmuseum Wien
1070 Wien, Mariahilfer Strasse 88, Eingang Andreasgasse 7
Tel: +43-1-524 33 57
Email: info@moebelmuseumwien.at
https://www.moebelmuseumwien.at/
Öffnungszeiten: Di-So 10-17 h

Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum