Werbung
,

Atelier Van Lieshout - Der Disziplinator: Geschlauchte Schaumstoffmenschen

Joep van Lieshout wird immer grausamer. Fast harmlos macht sich rückblickend seine mittlerweile gescheiterte, wenige Monate tatsächlich funktionierende AVL-Ville in Rotterdam aus. Ebenso die Bombenbastel-Studios, mit denen er Politik und Exekutive auf den Plan rief. Alles ein Kaffeekränzchen gegen das, was er uns nun im MAK unterbreitet: "Disziplinator" heißt die eine Maschine, "Technokrat" die andere - und uns schwant jetzt schon Böses. In einem Käfig sollen, so der Plan, der in Wirklichkeit ja eh keiner ist, 72 Menschen Baumstämme mittels Feilen zu Sägespänen verarbeiten. Schlafen und essen müssen sie auch dort. Im MAK ist ein Prototyp für dieses System aus rohen Gerüsten und Holz gezimmert, auf möglichst wenig Raum sind Tische, Klos, Duschen und Betten untergebracht. Schlimmer noch der "Technokrat": Da sollen den Bedauernswerten auf einer Seite Fäkalien zwecks Biogasproduktion abgezapft, auf der anderen Nahrung zugeführt werden. Und das, während sie in harten "Betten"-Batterien liegen. Sinn und Zweck der Übung: Einen Kreislauf zu schaffen, der völlig autark funktioniert - der Mensch ist darin Rohstofflieferant und Konsument in einem. Interessant ist, dass es offensichtlich nicht reicht, diese dystopischen Systeme einfach zu skizzieren. Da machen sich riesige Container im MAK breit, Schläuche schlängeln sich durch die Hallen. Gleichzeitig gibt man ein wenig kokett vor, dass Ästhetik eigentlich unwichtig sei. Wäre es das, könnte sich Joep van Lieshout (der, braucht er doch einen Stab an Mitarbeitern für seine Projekte, längst nur noch unter der Dachmarke Atelier van Lieshout auftritt) mit Zeichnungen begnügen. Eine spröde, brutale Archaik versprüht das Design, das keines sein will, und irgendwo liegt dann auch noch ein Häuflein Schaumstoffmenschen herum. Die schockierenden Vorstellungen hinter AVLs Kreisläufen, deren Dysfunktionalität und Körperfeindlichkeit an die Junggesellenmaschinen der frühen Avantgarde denken lässt, mögen beeindrucken. Hatte Joep van Lieshout noch vor einigen Jahren die Hermetik und Rationalität affirmiert, so erscheinen diese Kategorien nun problematisch. Und damit Lieshouts frühere Arbeiten. Diese werden von der Grausamkeit der hier präsentierten gewaltig relativiert.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Atelier Van Lieshout - Der Disziplinator
22.06 - 18.09.2005

MAK - Museum für angewandte Kunst
1010 Wien, Stubenring 5
Tel: +43 1 711 36-0, Fax: +43 1 713 10 26
Email: office@mak.at
http://www.mak.at
Öffnungszeiten: Di 10-21, Mi-So 10-18 h


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: