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Gerhard Richter: Ein Lächeln ins Grau

Klein, grau und unauffällig. Und doch könnte der unscheinbare Mann es mit jeder Berlinale-Kamera-Meute aufnehmen. Die Rede ist nicht von Dustin Hoffman, sondern von Gerhard Richter, dem derzeitigen Megastar der Weltkunst, einer Rolle, der er sich radikal entzieht. Grau ist bei dem inzwischen 73-jährigen Gerhard Richter schon seit Jahrzehnten fast alle malerische Praxis, seit den frühen Öl-Grisaillen aus den Sechzigern, der "Sekretärin" im gries verwischten Sfumato, den nicht minder identifizierbaren Gruppenbildern, in einem Realismus gehalten, der wie grauer Staub zwischen den Fingern zu zerrinnen scheint. Die Hinterfragung der Wirklichkeit mittels dieses malerischen Verfahrens bildet eines seiner großen Themen. Und wenn er abstrakt wird, vermutet man Ionisieirungen, Blicke durch das Elektronenmikroskop. Die Beschäftigung mit Glas ist in den letzten Jahren, fast logischer Weise flankierend hinzu gekommen. Dies betrifft etwa die acht gewaltigen, dick verglasten grauen Tafeln in der großen Ausstellungshalle ("Acht Grau",2002), die das nur noch theoretisch Wahrnehmbare zu speichern scheinen und ebenso gnadenlos alles Wirkliche vor Ort architektonisch widerspiegeln. Aber auch die elf schräg hintereinander gestaffelten Glasscheiben aus dem Jahre 2004 am Halleneingang belegen dies. Sie machen uns alle zu Spiegel-Figuren des Künstlers, verzerrt, vexiert, irgendwo zwischen Auflösung und körperlicher Zerlegung, zwischen Spiel und Analyse. Die Düsseldorfer Ausstellung, die noch in München und Japan zu sehen sein wird, versammelt zwar 120 Werke aus 40 Jahren - übrigens 120 Werke aus mittlerweile über 3000 Arbeiten - , bemüht sich aber am Ort, an dem Richter als Akademielehrer tätig war, besonders um Aktualität, um das Fixieren jenes Richters der letzten 10 Jahre. Ohne Frage stehen neben neuen abstrakten Farbtafeln, die wie mit dem Farbspektroskop die Inhaltsstoffe einer nicht mehr greifbaren Realität in Farbschlieren zu übersetzen scheinen, aber auch neben einem so ganz anti-idyllisch angeschnittenen "Waldhaus" in Richter-Realismus, besonders ein 9 mal 9 Meter großer C-Print-Riese im Fokus der Düsseldorfer Werkschau. 130 ineinander verschmolzene Teile drängen sich unter dem Werktitel "Strontium" vehement auf: eine flirrende Labor-Tapete aus Zeilen-Batterien kleiner und großer weißer Punkte auf dunkelgrauem Untergrund, geschaffen für das neue Kunstmuseum in San Franzisko. Nicht minder nehmen die grauen "Silikat"- Bilder oder eine mit "Haut" betitelte abstrakte Tafel, alle 2003 und 2004 entstanden, Molekularstrukturen auf. Und dass unsere wissenschaftsdominierte zerdachte Wahrnehmungswelt nur noch auf Daten basiert, da eben die Berührbarkeit vieler Phänomene nicht mehr möglich wird, ist eine mögliche Erklärung dieser aktuellen Richterschen Bilderwelt. Denn es handelt sich hier um Kunst, was einem bisweilen aus dem Blickfeld geraten mag. Apropos Glas. Gerhard Richter konnte kürzlich für das seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr neu gestaltete, ca. 100 Quadratmeter große Südquerfenster des Kölner Doms gewonnen werden. Der lichttranszendierende Farbfeld-Entwurf wird in Kürze vorgestellt. Gerhard Richter in Düsseldorf: " Das wäre schon eine schöne Sache, wenn das klappt". Und lächelt dabei hinein ins Graue.

Mehr Texte von Roland Groß

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Gerhard Richter
12.02 - 16.05.2005

K20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen
40213 Düsseldorf, Grabbeplatz 5
Tel: +49-211- 8381-130, Fax: +49-211-8381-201
Email: info@kunstsammlung.de
http://www.kunstsammlung.de
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-18, Sa, So 11-18 h


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