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Die Regierung - Paradiesische Handlungsräume - Hauptraum: Der Traum des Kurators

Gramgebeugt, halb blind vor Tränen, kam der Kunde und wollte einen Sarg. Der Bestattungsunternehmer sprach ihm Trost zu und führte ihn dann in seinen gefinkelt aufgebauten Schauraum, wo der Kunde binnen Kurzem todsicher vor dem teuersten Modell stand und das auch noch für das einzig passende hielt. Mit einer ganzen Kette kleiner Tricks hatte der Bestatter den mit seinem Kummer Beschäftigten dazu gebracht. Was Jessica Mitford 1963 in ihrem Enthüllungsbuch "The American Way of Death" als gängige Praxis beschrieb, ist ein alltägliches Beispiel dafür, was Michel Foucault unter Regierung verstand: die Handlungsräume von Menschen zu strukturieren. Dagegen verstand Foucault Kritik als Mittel, "sich nicht dermaßen regieren zu lassen". Die Regierung im Sinn Foucaults ist derzeit das Thema einer Ausstellung in der Wiener Secession. Das Kuratorteam, Ruth Noack und der Leiter der nächsten Documenta, Roger M. Buergel, haben für ihr Konzept nach einem Weg gesucht, dem kategorischen Imperativ des Konstrukts Ausstellung eine kritische Methode entgegenzusetzen. "Kunstwerke erlauben uns, Verhältnisse zu betrachten, denen wir gewöhnlich unterworfen sind", schreiben sie im Katalog. Eben jene Qualität soll als Paradigma mit der Form der Ausstellung ausgestellt sein. Aus diesem Grund war die Ausstellung am Eröffnungsabend alles andere als fertig und wird sie auch bis zum Schluss jede Woche umgebaut. Kunstwerke kommen hinzu, andere werden entfernt. Wer jede Woche kommt, kann sich anschauen, was der Traum der Kuratoren ist: Ein dynamisches Bild unserer Welt zu entwerfen, "das sich mit seinem Publikum außerhalb des herrschenden Wahrheitsregimes einzurichten sucht". Und es zur Kritikfähigkeit gegenüber dem Regiertwerden erzieht. Die gedankliche Struktur vor geben Werke wie "Follow the Leader", eine Installation von Ines Doujak, die sich in Form einer Schiffsflotte aus ausgesägten Plexiglasplatten mit Fotokollagen zur Herman Melville-Erzählung "Benito Cereno" über einen gescheiterten Sklavenaufstand diagonal durch den Ausstellungsraum spannt. Oder Andreas Siekmanns Serie von Computerausdrucken "Die Exklusive - Zur Politik des ausgeschlossenen Vierten" über die Ausbeutung der Arbeiter in Billigproduktionsländern durch internationale Markenkonzerne. Es sind alles sehr schlüssige Arbeiten, auch ästhetisch sehr schön ausgewählt und in einen Zusammenhang gebracht. Die Ausstellung funktioniert eigentlich schon beim einmaligen Besuch sehr gut. Der darüber hinaus wollende pädagogische Imperativ bringt kein inhaltliches Surplus, sondern eben nur einen weiteren Imperativ. Der Anspruch, ein herrschendes Wahrheitsregime verlassen zu wollen, führt bestenfalls in ein anderes, wenn überhaupt. Damit ist das Rad nicht neu erfunden.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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Die Regierung - Paradiesische Handlungsräume - Hauptraum
24.02 - 24.04.2005

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


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