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Das neue Österreich - Die Ausstellung zum Staatsvertragsjubiläum 1955/2005: Kübel und Handpuppe

Es wird einem schlecht. Alles hat eine fatale technisch-nüchterne Anmutung. Für den Kopf ist ein Blecheimer vorgesehen. Die Guillotine, in der Mitte des Nationalsozialismus-Raums aufgestellt, ist eines der eindrücklichsten Exponate der Belvedere-Schau zum "Neuen Österreich", unter dem hier die Zeitschiene vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart verstanden wird. Die Präsentation authentischer Objekte ist eines der Prinzipien der Ausstellung, und die beweist einmal mehr, dass ein himmelweiter Unterschied besteht zwischen dem Wissen und dem Sehen. Der eigentlich nicht bewältigbaren Unternehmung, ein Jahrhundert als von Touristen wie von Einheimischen und Schulklassen mit Gewinn konsumierbare Ausstellung zu präsentieren, näherte man sich mit dem ebenso einfachen wie wirkungsvollen Konzept dreier paralleler "Schienen". Das rotweißrote Fahnenband, das sich durch die gesamte Schau zieht und das 1938-45 unterbrochen ist, mag als Idee ein wenig plump wirken (1938 treten dann marschierende Nazis in Form einer Videoprojektion auf die eliminierte Fahne), hält das Ganze aber optisch zusammen und gibt der Schau Struktur und Dynamik. Links rollt sich die "Exponatschiene" auf - Kaiser Karl ist hier im Erster-Weltkrieg-Raum als Handpuppe italienischer Provenienz und als Stimme aus Messing-Hörrohren präsent. Und im Nationalsozialismus-Bereich wird das Fallbeil u. a. von Gestapo-Akten und Partezetteln von Soldaten gerahmt. Am Direktheit ist das kaum zu überbieten. Rechts läuft der Geschichte die "Kunstschiene" parallel. Da müssen dann mit einigen Verrenkungen auch Klimts Hauptwerke integriert werden, die man Wien-Reisenden nicht längere Zeit vorenthalten kann. Wenn die dann noch etwas über österreichische Geschichte mitbekommen, ist es ja auch kein Fehler. Zumal man erfreulicherweise nicht nur die Falle des Opfermythos erfolgreich umschifft, sondern am Ende der Ausstellung auch mit zahlreichen Österreich-Zitaten eine äußerst sympathische Selbstironie beweist.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Das neue Österreich - Die Ausstellung zum Staatsvertragsjubiläum 1955/2005
16.05 - 01.11.2005

Belvedere
1030 Wien, Prinz-Eugen-Strasse 27
Tel: +43 1 795 57-0, Fax: +43 1 795 57-121
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere.at
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr


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