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Die Kinder der anderen

Ein Mann zieht durch die Gegend und sucht nach einem Waisenjungen. Besonderes Kennzeichen: Der Junge hat keine Arme mehr. Und er kann die Zukunft vorhersehen. Der 13-jährige Satellit, so genannt, weil er in den Dörfern des kurdischen Grenzgebietes zwischen Türkei und dem Irak Antennen und Satellitenschüsseln einrichtet, hört durch diesen Mann zum ersten Mal von dem prophetischen Waisenjungen. Kurz darauf wird er ihm begegnen, nebst dessen hübscher Schwester, in die Satellit sich sofort hoffnungslos verliebt. Obwohl der armlose Junge sich mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein dem Platzhirschgebahren von Satellit, der sich doch als Anführer und Sprecher aller Waisen- und Flüchtlingskinder um deren Überleben kümmert, widersetzt, findet der wahre Konflikt dort statt, wo die beiden keinen Einfluss haben: Wir befinden uns am Vorabend der amerikanischen Invasion in den Irak. Kinder sind die Protagonisten, die der iranische Regisseur Bahman Ghobadi diesen Kriegsausbruch erleben lässt. Als Waisen und Flüchtlinge, um die sich niemand kümmert als andere Waisen, verdienen sie ihren Lebensunterhalt, indem sie Mienen aus den Äckern der ansäßigen Bauern bergen. Oft genug gehen diese Mienen hoch. Die Kinder ohne Arme seien die besten Mienensucher, preist Satellit mit der naiven Geschäftstüchtigkeit seiner 13 Jahre die kleinen Arbeiter an. Sie hätten keine Angst mehr vor der Explosion. Des Zynismus seiner Worte ist der Junge sich nicht bewusst. Überhaupt bedient sich Bahman Ghobadi in "Turtles Can Fly" der schmerzhaften Kontraste: Hier Kindheit - dort Krieg, hier Unschuld - dort Gewalt, hier erste Liebe - dort Schmerz, Verstümmelung und Tod. "Turtles Can Fly" zeigt nicht den Krieg selbst, sondern dessen Auswirkungen auf seine schwächsten und wehrlosesten Opfer. Ghobadis hart und realistisch geführte Rechnung geht auf. Die Kinder in seinem Film reagieren kindlich auf das, was ihnen widerfährt. Zugleich verstärkt ihre Kindlichkeit und Gutwilligkeit den Gegensatz zu der Menschenverachtung, die sich gegen alle richtet. Der leidenschaftliche Appell gegen den Krieg wird bei jedem ankommen, der denkt, Kindheit sollte etwas Unverletzliches sein. Auch wenn es die Kinder der anderen sind. Turtles Can Fly - Lakposhtha hâm parvaz mikonand Iran/Irak 2004 Regie: Bahman Ghobadi Mit: Soran Ebrahim, Avaz Latif, Saddam Hossein Feysal, Hiresh Feysal Rahman, Abdol Rahman Karim, Ajil Zibari 95 min, OmeU Donnerstag, 13. Jänner, 20.00 Uhr (Eröffnungsfilm) Samstag, 15. Jänner , 19:00 Uhr Kurdische Filmtage (13. bis 20. Jänner 2005) Programm: sercavan.at De France Kino www.votivkino.at
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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