Andrea Winklbauer,
Der Tramp ist ein Gentleman
Der Tramp liebt ein blindes Blumenmädchen. Wenn er ihr begegnet, glaubt sie, dass er reich ist. Ihr zuliebe nimmt er einen Job an. Weil in der Zeitung steht, dass ein Wiener Arzt Blinde operiert und ihnen das Augenlicht zurück geben kann. Um ihr zu helfen, nimmt er manches auf sich, lässt sich zum Beispiel beim Preisboxen verdreschen und geht sogar ins Gefängnis. Als er sie endlich wiedersieht, kann sie ihn auch sehen: nicht den feinen Herrn, sondern den verwahrlosten Tramp...
Wie ein lebender Anachronismus bewegt sich Charlie Chaplin durch den Film Lichter der Großstadt, der fünf Jahre vor Modern Times, seiner grandiosen Kritik an der Unmenschlichkeit durch Industrialisierung, in die Kinos kam. Er skizziert die Großstadt als schöne neue Welt, in der nur die Norm zählt. Chaplin alias der Tramp widersteht dem Reglement. Er entzieht sich ihm ganz einfach. Nur wegen seiner Liebe zu dem blinden Mädchen versucht er sich einzuordnen. Indem er ihr zu der Norm verhilft, die sie zu einem Teil der Großstadt macht, hat er ihr alles geopfert, auch sie.
Lichter der Großstadt
USA 1931
Regie: Charles Chaplin
Darsteller: Charles Chaplin, Virginia Cherrill
87 min, Schwarzweiß, Stummfilm
Derzeit im Gartenbaukino, Wien
www.gartenbaukino.at
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