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Sieben Frauen über Achtzig

Im Gegensatz zu anderen Formen der Geschichtsvermittlung hat die Begegnung mit einem Zeitzeugen einen unvergleichlichen Vorteil: Mit den Worten, die seine ganz persönlichen sind, vermittelt er Bilder. Nirgends ist Geschichte so lebendig wie in der Erzählung eines Menschen, der sie erlebt hat. Und nirgends sonst ist das so wichtig wie in der Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus. Denn wer von den Spätergeborenen kann sich das vorstellen? 65.000 ermordete österreichische Juden lassen sich nur zu leicht zu einer Zahl abstrahieren. Doch schon die Kenntnis eines einzigen Schicksals kann das ändern. Aber die Uhr läuft. Wer jung war, als er den Holocaust überlebt hat, ist heute um die Achtzig, wenn er überhaupt noch da ist. In Yaron Zilbermans Doku über die Schwimmerinnen des jüdischen Wiener Sportclubs Hakoah kommen gleich sieben dieser alten Damen vor. Mit dieser Doku wird ein aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwundenes Kapitel der österreichischen Sport- und Kulturgeschichte an seinen Platz zurück gestellt. In Interviews mit den heute in England, Israel und den USA lebenden Frauen und unterstützt durch Fotos, Filmaufnahmen und populäre Musik der Dreißiger entfaltet sich die Erfolgsgeschichte des jüdischen Schwimmerinnen-Teams bis zum erzwungenen Ende 1938. Dank der Hakoah haben alle Mitglieder im Ausland überlebt. Doch keine der ehemaligen Schwimmerinnen wollte später dauerhaft nach Österreich zurück. Zu tief saßen die Erlebnisse von Demütigung, Verfolgung und Todesangst, die sie alle untrennbar mit Österreich und Wien verbinden. Yaron Zilberman lässt sie das ausdrücken und schafft es trotzdem die Balance zu halten zwischen dem Schweren und dem Leichten, der Bitterkeit über das Verhalten ihrer ehemaligen Landsleute und dem Spaß, den das Schwimmen im Team des Clubs den Teenies in den Dreißigern bereitet hat. Ein letztes Mal lässt er sie das wiederholen: Im Wiener Amalienbad treffen sich die Überlebenden des Hakoah Schwimmteams und ziehen noch einmal gemeinsam ihre Runden. Die Zeit hat vor ihren Körpern nicht halt gemacht. Es ist gute 65 Jahre später. Alles, was in dieser Zeit in Wien hätte passieren können, ist anderswo geschehen oder auch nicht geschehen. Diese möglichen Leben hat es nicht gegeben. Doch die sieben Damen hatten noch Glück. Sie haben die Schoa überlebt. 65.000 andere Österreicher nicht. HAKOAH LISCHOT / WATERMARKS Dokumentation Israel / Frankreich / USA 2004 Regie: Yaron Zilberman 80 min, Hebräisch, Englisch und Deutsch mit englischen Untertiteln
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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