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Der Tod existiert nicht

Was kann bei einem Festival schon schief gehen, das gleich am ersten Tag den schönsten Film des Jahres zeigt? LE PONT DES ARTS von Eugène Green ist absolut erstaunlich. Seine Artifizalität macht ihn zerbrechlich wie seine weibliche Hauptfigur. Am Ende verdichtet sich die Spannung aus der Distanziertheit zwischen den Geschlechtern, zwischen der Erzählung und dem Publikum, in einer Vereinigung des Unvereinbaren als Schatten im Licht. Vielleicht findet sich ja doch ein Verleih, der diesen außergewöhnlichen Film auch regulär in die österreichischen Kinos bringt. LE PONT DES ARTS wirkt wie die Anwendung von Zitaten aus dem neuesten Werk von Jean-Luc Godard als Film. Mit Paradoxien wie "Wenn mich jetzt jemand verstanden hat, habe ich mich falsch ausgedrückt" oder "Das Leben existiert, der Tod existiert nicht" bereichert uns NOTRE MUSIQUE, ein verglichen mit anderen Spätwerken des Meisters ziemlich narrativer Film über die Folgen des Krieges und den Wiederaufbau in Mostar. Um den jüngst vergangenen Krieg im Irak geht es in der iranisch-irakischen Koproduktion LAKHPOSTHA HAM PARVAZ MIKONAND (Turtles Can Fly) von Bahman Ghobadi. Dieser politische, höchst aktuelle Film über die Schicksale von Kindern im verminten kurdischen Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak entfaltet in der Tradition von Luis Bunuels LOS OLVIDADOS durch bloßes Erzählen eine manchmal fast unerträgliche Intensität. Ein heimliches Thema der Viennale war Filmemachen und Film im Film: Der dokumentarisch angelegte iranische DASTAN NATAMAM (Story Undone) von Hassan Yektapanah handelt von einem Kamerateam, das, von der Grenzpolizei aufgegriffen, behauptet, das Objekt ihres Filmes, die Flüchtlingsgruppe, seien Schauspieler und Crew. In BEKLEME ODASI (Waiting Room) geht es um einen Regisseur in der Krise. Der poetische KARPUZ KABU_UNDAN GEMILER YAPMAK (Boats out of Watermelon Rinds) erzählt von zwei Jungen und ihren Versuchen, in einem abgelegenen anatolischen Städtchen einen selbstgebastelten Filmprojektor zum Laufen zu bringen. In MAN-YAN (Pirated Copy), einem der charmantesten Importe aus China, verdoppelt sich das Film-im-Film-Thema: Zum Handel mit DVD-Raubkopien kommen Dialoge über die Klassiker des Films. Im Gegensatz zu den näher gelegenen Staaten des europäischen Ostens und Südostens, die dieses Jahr größtenteils fehlten, war der ferne Osten mit sehr schönen Filmen vertreten. Neben dem sehr harten Episodenfilm FEI-ZAU-JU (Soap Opera), dem von Männlichkeitswahn und Versagen handelndem Drama LU MAOTZE (The Green Hat) und der Stefan Zweig-Verfilmung YI GE MO SHENG NU REN DE LAI XIN (Brief einer Unbekannten) aus China waren es die nahezu komplette Retrospektive der Filme des japanischen Regisseurs Hirokazu Koreeda und die südkoreanische Rachegeschichte OLD BOY, die den Viennalebesuch zu einem einzigen Baden in Bildern machten.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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