Isabella Marboe,
Alter Klinikpionier mit neuer Nutzung
Mit den neuen AKH-Kliniken wollte die Monarchie einen Markstein im Krankenhausbau auf dem Letztstand von Forschung, Lehre und Heilung setzen. Der 1. Weltkrieg verhinderte die Komplettierung, als exemplarischer Pionier entstand 1904-1908 die ehemalige 1. und 2. Universitäts-Frauenklinik. Das Raumprogramm kam von den Professoren Chrobak und Schauta, General- und Detailpläne von Franz Berger. Er plante auch die Wilheminenspitals-Erweiterung und nach Otto Wagners Generalentwurf die Steinhof- Pavillons, was sich hier am secessionistischem Baudekor zeigt. Die Fassade ist mit geschwungenen Metallgittern der Attikabrüstungen, dunkelgrünen Fliesenbändern, differenzierten Putzoberflächen und großer Fenstertypen-Vielfalt von außerordentlicher Qualität.
Die Kliniken stehen auf dem Areal des ehemaligen Armenversorgungshauses (Stadtbauamt, 1864-68). Dessen Seitenflügel wurden abgerissen, sein Mitteltrakt mit Kirche in den neuen Komplex integriert, dahinter ist separat der Isolierpavillon. Spiegelbildlich zur Symmetrieachse des Bestands umfassen die Kliniken mit Hörsälen eine zusammenhängende Gartenanlage, auch die Pavillonflachdächer mit vorkragenden, optisch von Konsolen aus Hydrauerguss "gestützten" Traufen dienten Patienten als Freiraum. Eine bautechnische und architektorhistorische Leistung sind die Hörsäle mit der Stahlkonstruktion von je zwei viertelkreisförmig ansteigenden Sitzreihen. 7,85 m hohe, 2,80-4m breite Stahlfenster belichten sie komplett über die Gesamthöhe.
"Die architektonische innen-und außenräumliche Qualität ist nicht nur mit Steinhof vergleichbar, sie geht in der gestalterischen Behandlung der Funktionsgruppen, der Variation der Baukörper und Trakttiefen, der präzisen, aber freien Behandlung der Fenstergruppen darüber hinaus....Es handelt sich...um ein bedeutendes Dokument des Wr. Krankenhausbaus am Beginn des 20. Jhts, um ein Ensemble, das auch in einmaliger, gesamtheitlicher Weise die kulturelle Potenz der Wiener medizinischen Schule widerspiegelt und als bedeutendes gesamtkulturelles Dokument anzusehen ist", so Friedrich Achleitner.
Ab 1998 fanden unter Leitung der VAMED tiefgreifende Sanierungsarbeiten zur Umnutzung für Medizintechnik-Akademien, Lernzentrum und Büros statt. Die Hörsäle wurden umfassend restauriert, in der II. Frauenklinik war das sorgfältig ausgeführte Interieur mit Fliesen, Glas-Stahl-und Holztüren teils erhalten. Hier kam man durch Wiederverwendung alter Fliesen und Reparatur historischer Türkonstruktionen dem alten Erscheinungsbild sehr nah, es wurde auch beim Einbau neuer Haustechnik berücksichtigt. An den Fassaden sind die verschiedenen Putzoberflächen wiederhergestellt, Holzfenster nach historischem Bestand repariert und ergänzt, Metallfenster und Attikagitter saniert.
1960-66 plante Architekt Kupsky die I. Frauenklinik um: sie wurde aufgestockt, Außen- zu Mittelmauern umfunktioniert, durch neue Räume ergänzt, teils Hoftrakte verändert. Man entfernte verunklärende Flachdachaufbauten, auch sie zeigt sich teils wieder in alter Pracht, das Innere wurde für die Neunutzung mit Lehr-und Heilzentren umgebaut.
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