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Bild um Bild

Zum Künstler gehört seit der Antike auch die Legende. Legenden berichten von der wundersamen Entstehung der Werke. Legenden heben den Künstler aus der Banalität heraus. Es sind die Legenden, deretwegen ein Bild wie die „Mona Lisa“ hinter Panzerglas gehalten werden muss und auch das ist wieder eine Art Legende mehr. Das „Mädchen mit dem Perlenohrring“ von Jan Vermeer ist auch ein sehr berühmtes Bild. Die – erfundene - Legende dazu erzählt ein Film ganz in der Art der genrehaften Künstlerdarstellungen des Historismus. Die sehr junge Griet kommt 1665 als Magd in den Haushalt des Malers Vermeer, dessen Person und Atelier wie selbstverständlich im Licht der Besonderheit erstrahlen. Im Gegensatz zu Vermeers Ehefrau zeigt Griet Interesse an seiner Kunst, ja sogar eine visuelle Begabung, die dem Meister gefällt. Er weiht sie in einige seiner Geheimnisse ein: wie man die Farben anrührt oder wozu eine Camera obscura dient. Sie hingegen verändert eines seiner Arrangements, inspiriert ihn zu einem Bild und steht ihm für ein anderes Modell. Die scheue Liebesgeschichte zwischen den beiden gipfelt in Herrn Vermeers voyeuristischem Blick auf Griets unverhülltes, offenes Haar, ist aber auch Frau Vermeer nicht unbemerkt geblieben... DAS MÄDCHEN MIT DEM PERLENOHRRING ist der Versuch einer Rekonstruktion. Es ist die Wirklichkeit eines ganz Großen der Kunstgeschichte, die, im Fluss einer fiktiven Erzählung, auf der Kinoleinwand wiedererstehen soll. Dazu wurde das sehr kleine Oeuvre Vermeers genau studiert. Reizvollerweise sind es nicht nur die Bilder des Films, die diese Wirklichkeit transportieren, sondern auch seine Handlung: In Vermeers Werk spielen junge Frauen eine zentrale Rolle. Sie waren seine Hauptmotive und die Quellen seiner Inspiration. Zugleich spiegelt die Tatsache des Rekonstruktionsversuchs, was u.a. auch Vermeers Werk in den vergangenen Jahrhunderten bewirkt hat. Die Art von Genremalerei, auf die der Film sich zur Darstellung seines Inhalts formal beruft, entstand ja im Holland des 17. Jahrhunderts und wurde im 19. Jahrhundert wiederentdeckt. Die Art von Wirklichkeitsdarstellung, an der die Camera obscura ihren Anteil hatte, erhielt im Holland des 17. Jahrhunderts ebenfalls weitreichende Impulse. So geht letztlich die Kamera, mit der DAS MÄDCHEN MIT DEM PERLENOHRRING gefilmt wurde, in ihrem Prinzip darauf zurück. Es scheint, als könnten wir mit umgekehrtem Objektiv in die Vergangenheit blicken. Ein Historist des 19. Jahrhunderts wäre vor Begeisterung aus den Gamaschen gekippt. GIRL WITH A PEARL EARRING UK/Luxemburg 2003 Regie: Peter Webber Darsteller: Scarlett Johansson, Colin Firth u.a. 95 min
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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