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Neo Rauch: Avantgarde und Kitsch

Die F.A.Z. ist vor einiger Zeit auf gewisse Tendenzen in der Gegenwartskunst zu sprechen gekommen und hat dabei, ohne Namen zu nennen, ein Diktum fallen lassen, das von "rauchigem Neo-Kitsch" redete. Das mit dem Kitsch ist zu Zeiten von Jonathan Meese oder Santiago Sierra schon ein harter Tobak, zumal der Kunstbetrieb bei allem, was er sich sonst so einverleibte, um ihn meistens einen weiten Bogen zu machen pflegte. Kitsch, so verfügte es Clement Greenberg einst in seiner Weise, stehe der Avantgarde gegenüber. Während diese, die Avantgarde, die "Prozesse der Kunst imitiere", ahme jener, der Kitsch, "ihre Effekte" nach. Also Neo Rauch, ausgestellt als Junior-Kollege von Rubens in der Albertina. Effektvoll sind die papierenen Großformate, die in der Pfeilerhalle Revue passieren, allemal. Und etwas Imitierendes haben sie auch. Nicht nur, dass sie dem Realismus verpflichtet sind: Etwas anderes würde von einem der letzten Schüler des weiland DDR-Großmeisters Bernhard Heisig auch nicht erwartet. Nicht nur, dass sie die Kunstgeschichte zitieren und hier etwas Modernistisches, dort etwas Dalieskes und da etwas Giacomettihaftes anbieten: Etwas anderes würde man von den Meta-Malereien, die die einzige plausible Antwort auf den Ego-Schmuh der Expressiven liefern, ebensowenig erwarten. Ein wenig Bedrohung liegt über den Szenerien, eine Atmosphäre, die nach David Lynch riecht, aber ohne jenen Hintergedanken an die Unerträglichkeit, die einem in dessen Filmen richtiggehend Angst machen kann vor der nächsten Einstellung. Ein wenig Katastrophe liegt über den Szenerien, man mag an Mark Tanseys Grisaillen denken, aber ohne dessen augenzwinkernden Rückverweis auf den Theoriebetrieb, dank dessen dann Derrida für die Apokalypse zuständig ist. Und ein wenig Sinnleere liegt über den Szenerien, schier eine Ästhetik der Indifferenz, die aber dann doch eher aus der gesuchten Abstrusität der Figurenkombinationen resultiert als dass sie in einem künstlerischen Zugang begründet wäre, den am Menschen gerade die Oberfläche interessiert. Das mit der Imitation und den Effekten bei Neo Rauch: Ganz ist es ja nicht von der Hand zu weisen. Die Avantgarde ist womöglich tot. Der Kitsch womöglich nicht.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Neo Rauch
15.09.2004 - 09.01.2005

Albertina
1010 Wien, Albertinaplatz 1
Tel: +43 1 534 83 -0, Fax: +43 1 533 76 97
Email: info@albertina.at
http://www.albertina.at
Öffnungszeiten: Tägl. 10-18h, Mi 10-21 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Neo Rauch
Karin Frank | 07.10.2004 09:52 | antworten
Finde Neo Rauch einen der tollsten Maler derzeit, von Kitsch keine Spur. Die Arbeiten haben aus meiner sich sehr viel Ausstrahlung und Ausdruck, was ich oft bei anderen Künstlern vermisse.

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