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Mickey Moore und Dagobert Bush

Als im Sommer 1998 Steven Spielbergs orthodoxpatriotisches WW II-Drama "Saving Private Ryan" in die Kinos kam, ahnte noch niemand, dass damit ein gewaltiger Paradigmenwechsel Manifest geworden war. Seither ist es im US-Kino mehr als nur salonfähig, patriotischen Sentimentalitäten im Zusammenhang mit Verstorbenen einen nie zuvor gewährten Raum zu geben. Man erinnere sich an die Schlussszene, in der der gealterte James Ryan mit seiner Familie auf dem Heldenfriedhof tränendrüsendrückend den gefallenen Kameraden für seine Rettung dankt. So etwas wäre Michael Cimino, Francis Ford Coppola, Oliver Stone oder Terrence Malick niemals in den Sinn geraten. Steven Spielberg aber schon, und eine ganze Nation fand das überhaupt nicht peinlich. Im Gegenteil. Das beweist Michael Moores neuer Film über die geschäftlichen Verstrickungen der Familie Bush mit der Saudischen Königsfamilie und dem Bin Laden-Clan und deren Auswirkungen auf den „Krieg gegen den Terror“. Was Michael Moore in seiner Doku aufdeckt, ist als Faktum weder neu noch unbekannt. Auch seine Methode kennen wir bereits. Geschickt montiert er Archivmaterial, macht Interviews und fügt seinen eigenen Politaktionismus hinzu. Zu den am meisten zitierten Szenen gehört etwa diejenige, in der Moore Aufnahmen vom Gesicht Georg W. Bushs zeigt, nachdem er während des Besuchs in einer Grundschule vom Attentat auf das WTC erfahren hat: Minutenlang macht Bush einfach weiter, scheint nicht zu wissen, was zu tun ist. Michael Moore spart nicht mit seinem Spott. Doch was nützt es, den Präsidenten und andere der Lächerlichkeit preiszugeben? Zwar ist Fahrenheit 9/11 schon wenige Wochen nach seinem Kinostart in den USA der erfolgreichste Dokumentarfilm aller Zeiten. Demographen prophezeien jedoch, dass er am Wählerverhalten kaum etwas verändern wird. Denn, wie gesagt, die Fakten sind eigentlich nicht neu. Neu ist aber, dass Michael Moore die Anklage gegen die Bush-Regierung mit dem oben zitierten patriotischen Sentiment verknüpft. Er scheut sich z.B. nicht, die Mutter eines im Irak umgekommenen US-Soldaten vor dem Weißen Haus zusammenbrechen zu lassen. Die Frau agiert, wie man es von ihr erwartet. Der Präsident schaut - in der anderen Szene -, wie er glaubt, dass man es von ihm erwartet. Die eine Szene erhellt wirklich, die andere malträtiert bloß die Spielberg-Register auf der großen Gefühlsorgel der Amerikaner. So ist alles bloß eine weitere große Show. Ab 6.8. im Kino.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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