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Massimo Vitali: Masse und Ohnmacht

Der italienische Fotograf Massimo Vitali, geboren 1944, stellt seine großformatigen Farbtafeln bei Hilger Contemporary aus. Vielleicht ist es die Schamlosigkeit, mit der Vitali sich über den Szenerien postiert, einen Turm aufbaut und die Leute ablichtet, vom Hochstand aus, fünf Meter über der Erde und über den Dingen, herablassend, hierarchisch, mit dem Blick von oben. Vielleicht ist es die Abgehobenheit, mit der Vitali auf seine Situationen blickt, auf Badestrände und Skiliftstationen, auf Parties und Etappen des Sightseeing, auf all die Orte aus der Retorte, denen der Tourismus längst alle Eigenheiten ausgetrieben hat. Vielleicht ist es die Gleichgültigkeit, mit der Vitali das Soziale erfasst, als käme es aus dem Ameisenhaufen, Masse und Ohnmacht, jenes Produkt menschlicher Arbeit, die ordnen will, aber nur das Durcheinander gebiert, ein entropisches Ereignis mit dem Charme des immer Nocheinmal. Vielleicht ist es die Hartnäckigkeit, mit der Vitali wartet, bis er für die Leute unter ihm verschwunden ist, bis sie ihn nicht mehr wahrnehmen, sich an ihn gewöhnt haben und ihren Unscheinbarkeiten nachgehen, damit sie aufgenommen werden können aus der freien Perspektive des Voyeurs. Vielleicht ist es die Unablässigkeit, mit der Vitali ein Bild der Menge entstehen lässt, das kein Zentrum kennt und keine Peripherie, weil im Zeitalter des Narzissmus jede Randlage auf das heilige Ego verweist. Vielleicht ist es die Unbeirrtheit, mit der Vitali der Gegenwart buchstäblich Herr wird, indem er sie in die Gnadenlosigkeit zwingt, in jene dem 19. Jahrhundert abgeschaute Unbeteiligtheit, die als "Desinvolture" oder "Ästhetik der Indifferenz" einst eine künstlerische Qualität darstellte. Vitalis Fotos kommen sehr trendig daher, sehr auf Hochglanz getrimmt, und sie schmecken sehr deutlich nach den Unvermeidbarkeiten von Struth-Ruff-Gursky. Doch vielleicht ist es die Unzeitgemäßheit, mit der sie der Gegenwart auf den Zahn fühlen, die sie wiederum herausragen lassen. Sie sind Historien. Mehr, das wussten schon die Alten, können Bilder nicht leisten.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Massimo Vitali
26.08 - 25.09.2004

hilger contemporary
1010 Wien, Dorotheergasse 5
Tel: +43-1512 53 15, Fax: +43-1-513 91 26
Email: contemporary@hilger.at
http://www.hilger.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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