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Es war einmal ein Oger

Es war eine Überraschung der angenehmen Sorte, wie der Animationsfilm um den Antihelden Shrek 2001 die Disney-Versionen von Grimm`s Märchen aufmischte. Einerseits begeisterte die neue Technologie das trickverwöhnte Publikum durch sehr lebensnahe Bewegungen des Personals, andererseits entzückte die als Persiflage getarnte Umkehrung gängiger Klischees: Nicht der schöne Prinz, sondern das hässliche Monster Shrek bekam die schöne Prinzessin, die sich am Ende überdies selbst in ein hässliches Monster verwandelte und mit Shrek ihr Glück fand. Das Sequel setzt alles fort, was wir am ersten Teil so mochten, und setzt auf alles noch eins drauf. Für den, der lauthals lachen will, wird es doppelt so lustig wie im ersten Teil. Für den, der die subtile Abrechnung mit dem märchenartigen Genre der Hollywood-Romantikkomödie mochte, wird in "Shrek 2" eine durchaus sehenswerte Variante angeboten. Nur die erstaunlich diskursive Idee konnte leider nicht noch einmal überraschen. Bei dieser Idee geht es um das wichtigste Grundmotiv von Märchen: Eine Hauptfigur muss leiden und Abenteuer bestehen, bis am Ende zur Belohnung die Erlösung kommt. Man denke nur an den Froschkönig, die sieben Schwäne oder die Kunstfigur Pinocchio: Am Ende dürfen sie (wieder) Menschen sein und werden außerdem mit Jugend und Schönheit belohnt. Märchen sind Identifikationsangebote, in denen sich die Qualen und Schwierigkeiten des Menschen auf dem Weg zu sich selbst verdichten. Jugend und Schönheit am Ende des Märchens stehen stellvertretend für das Versprechen der Ganzheit der Persönlichkeit, die nur erreichen kann, wer sich auf den mühsamen Weg begibt. Umso erfrischender ist, dass in "Shrek" am Ende das Glück nicht an der Schönheit hängt. Es ist zwar eine Binsenweisheit, dass das Glücksversprechen, das uns die Medien in Form von Schönheit vor Augen führen, uneinlösbar ist, trotzdem ist der Glaube daran extremst verinnerlicht, wie nicht nur die Zahlen aus der Kosmetikindustrie beweisen. Das Verdienst von "Shrek" ist, dieses Glücksversprechen als das zu entlarven, was es immer war: Ein Märchen im doppelten Sinn. Ob sich diese weise Erkenntnis aber lange halten wird, darf getrost bezweifelt werden. Shrek 2, USA 2004, 92 min. Seit 1. Juli im Kino. movies.uip.de/shrek2
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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