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„Meine Eitelkeit drängt mich zu erzählen“

Wilfried Seipel hat sich eine Autobiografie von der Seele geschrieben: „Mein Leben - Ein Abenteuer. Gedanken und Erinnerungen eines Museumsdirektors“

„Selbstkritik“, sagt der Autor abschließend, sei von ihm „erwartet“ worden. Und, jetzt kommt’s, sie sei in „diesem Band“ auch „geübt“ (S. 375). Alles in allem, er hätte ruhig ein wenig dicker auftragen können mit seiner Demut. Dabei, dick aufgetragen hat er ja. Nichts anderes als dieses Kompendium an Selbstbelobigungen war auch zu erwarten. Wilfried Seipel at his Best: Und unter dem Besten tut er’s natürlich nicht. Allein die Liste der Auszeichnungen füllt eine dickbedruckte, tatsächlich, als wär’s Zurückhaltung, in kleinerer Schriftgröße gesetzte Seite des Fünfpfünders.

Das Volumen (frag nicht, was so was in der Herstellung kostet, im Verkauf gibt es das für sehr nachfragbare 38 Euro) ist ein Paradebeispiel für Big Beautiful Book, oder wie man das heutzutage nennt. Im Register (natürlich hat man nachgesehen, ob man vorkommt – man kommt nicht, und auch der Kollege Thomas Trenkler, der vielfältig zwischen den Zeilen spukt, wird nur mit einem „T.T.“, S. 269, vermerkt, wohl um zu vermeiden, dass er nachgeschlagen werden kann), im Register lautet der häufigste Eintrag sage und schreibe „Seipel, Wilfried" mit ca. 80 Seitenangaben, beginnend mit „2f“ – erstens verweist das auf eine leere Seite, wo das große Ego tatsächlich einmal nicht vorkommt, zweitens hätte man die Chose mit einem „2ff“ famos abkürzen können, und drittens ist ja wohl eindeutig, dass der Autor einer „Autobiografie“, wie Seipel selbst es nennt (S. 8 und 344), in so einer Art Buch seine Rolle spielt. Die Chance, ein weiteres Mal in seinem eigenen Werk vorzukommen, hat sich Seipel auch im Register nicht entgehen lassen.

Und er kommt ja reichlich vor. Seine Antwort ist „keck“ (S. 101) oder „frech“ (S. 173), seine Idee „kühn“ (S. 171), sein Vorschlag „verwegen“ (S. 296), und seine Worte sind „stark“ (S. 117). Natürlich machen es die Leute, die nach ihm kommen, falsch: Alfred Weidinger in Linz etwa, dessen Arbeit der Selbstbiograf „mit Bedauern, um nicht zu sagen mit Schaudern“ sieht (S. 135). Besonders apart die kleine Gemeinheit gegen die Nachfolgerin als KHM-Chefin Sabine Haag, die, als wäre das ihre Gesamtleistung, „eine Ausstellung im Saal VIII über die Elfenbeinarbeiten des KHM“ veranstaltet hat (S. 328). Alles in allem aber, schließlich ist der Berichterstatter sehr mit sich im Reinen, „war das Verhältnis zwischen uns Kollegen und Kolleginnen (die Reihenfolge sic!) immer freundschaftlich und ohne Zwist und Neid“ (S. 162).

Indiskretionen sind eingepreist. Namentlich nennt das Buch den Schulkollegen, der sich umgebracht hat, (S. 15), die Mitbewerber, gegen die sich Seipel einst durchgesetzt hat, ebenso (S. 93) , und mit Marlene Streeruwitz, obwohl, oder weil sie die erste Ehefrau seines „besten Freundes“ Ernst (S. 324) war, kolportiert der Selbstbeschreiber unverblümt einen „Eklat“ (S. 318). Offenbar hat Seipel das alles so gewollt, und augenscheinlich hat ihn niemand daran gehindert. Anlässlich seines Ausscheidens am KHM gab es den „Überblicksband The Seipel Years 1990 – 2008“. 260 Ausstellungen unter seiner Ägide sind darin aufgelistet. „Wahrlich ein Prachtbuch“, jubelt Seipel, und muss hinzufügen: „allerdings nur ein Sonderdruck“ (S. 291). Mit dem Sonderdruck hätte er es auch diesmal gut sein lassen sollen.

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Wilfried Seipel
Mein Leben – ein Abenteuer
Gedanken und Erinnerungen eines Museumsdirektors
ISBN: 978-3-99126-376-0
28,5×23,5 cm, 432 Seiten, zahlr. z. Gr.-T. farb. Abb., fadengeheftetes Hardcover m. Schutzumschl. & Lesebändchen
38,00 €
⤇ Link zum Verlag

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