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███████: Das Kunsthaus Bregenz hat sich einen Parasit eingefangen

Das Kunsthaus Bregenz steht einerseits für große Namen, andererseits hat es sich längst auch als Bühne für – noch – nicht so große etabliert, die sich hier in spektakulären, speziell für den Ort gemachten Installationen austoben können, wie es in dieser Konsequenz an kaum einem anderen Kunstort möglich wäre. Darauf kann Mastermind und Direktor Thomas D. Trummer zu Recht stolz sein. Diese Vorgaben treffen, wenn auf ganz andere Art und Weise, auch auf die aktuelle Ausstellung zu, die in ihrer formalen Kargheit kaum zu toppen ist. Inszeniert hat die Schau eine „Person“, so Trummer, deren Identität er naturgemäß kennt, die aber nicht verraten wird.

Sämtliche Kunsthaus-Mitarbeiter:innen mussten sich schriftlich dazu verpflichten, das Geheimnis zu wahren, was die Spekulationen, wer der- oder diejenige hinter dem Projekt Stehende sein könnte, nur noch befeuern dürfte. Diese Anonymität zu wahren, ist allerdings ziemlich tricky. So musste etwa bei der Vorstellung der auf allen vier Etagen des Kunsthauses inszenierten Installation als Bindeglied zwischen „der Person“ und den Zuhörenden ein Simultandolmetscher geschoben werden. Dass er aus dem Englischen übersetzt hat, war erahnbar. Und einiges, das da übersetzt wurde, lässt vermuten, dass es sich um eine jüngere, offensichtlich konzeptuell arbeitende Künstler:in handeln dürfte.

Eine „Person“, die nicht wie etwa der britische Streetartist Banksy medienwirksam im öffentlichen Raum mit dem Geheimnis, das dieser um seine wahre Identität macht, kokettiert, sondern eine ist, die ihren Verzicht auf Autorenschaft als „ultimativen Ausdruck der Großzügigkeit“ begreift. Indem er/sie ganz bewusst auf öffentliche Anerkennung verzichtet, in Kauf nimmt, dass sich ökonomische genauso wie karrieretechnische Möglichkeiten, die sich durch die Einladung an einen international beachteten Kunstort, wie es das Kunsthaus Bregenz ist, ergeben könnten, nicht eröffnen werden.

In Zeiten, in denen jede:r „ich, ich, ich“ ins Internet schreit und durch KI auch die Autorenschaft von Kunst mehr und mehr in Frage gestellt werde, sei der Verzicht auf opulente Gesten und schillernde Brandings aber auch für ein Kunsthaus ein spannendes, wenn auch nicht leicht argumentierbares Wagnis, so Thomas Trummer. Gerade die Anonymität bedeutet für die das Kunsthaus Besuchenden eine große Herausforderung. Sie sind hier ganz auf sich selbst zurückgeworfen, müssen sich unbelastet von klaren Erwartungshaltungen und veröffentlichten Meinungen auf das Projekt einlassen, das mehr das Denk- als das Sichtbare thematisiert.  

Angelegt auf allen vier Ebenen des Kunsthauses funktioniert die Ausstellung als Fragment einer parasitären Architektur mit einem Grundriss von 7,2 mal 7,2 Metern. Eine Ahnung davon vermittelt das aus 249 Aluminiumteilen und zwei Glasscheiben „wie ein Legohaus“, so „die Person“, im dritten Obergeschoß des Kunsthauses gepuzzelte Setting. Das einzig wirklich „Normale“ dabei ist die am Boden liegende Matratze. Der versenkbare Tisch, die Küche, das WC und Bad sind zu technoid, um wirklich wahr zu sein. Wenn auch jeder/jede, der/die mag, hier schlafen, sich einen Kaffee kochen, duschen oder das WC benützen darf, ist das „Haus“ doch so etwas wie ein Parasit, indem es an die Infrastruktur des Kunsthauses angeschlossen ist. Von diesem den Strom absaugt, an sein Wasser- und Abwassersystem angedockt ist. Für die Montage des schwarzen Abwasserrohrs mussten in Ebene zwei einige der Deckenplatten aus luzidem Glas entfernt werden, während auf der Ebene darunter zehn mit Mineralwolle befüllte Wandpaneele aus Alu stehen, gedacht als mögliche Dämmelemente des „Hauses“ in kalten Wintern.

Das „Haus“ ist ein Prototyp, sein „Bau“ wurde durch Menschen ermöglicht, die genauso wie die „Person“, die es erfunden hat, anonym bleiben wollen. Bedingung ist, dass das modulare Objekt auch nach Ende der Ausstellung nicht zum Spielball der Spekulation am Kunstmarkt wird. Weshalb es nicht verkauft, besessen oder archiviert werden darf. Sondern als mobile Residenz für Künstlerinnen und Künstler durch die Lande tourt. Sofern sich Orte finden, die sich auf Parasiten dieser Art einlassen wollen. Es bleibt jedenfalls spannend.

Mehr Texte von Edith Schlocker

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███████
11.10.2025 - 18.01.2026

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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