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Ahu Dural - Frau Monteurin / Kadın Montajcı: Abstrakte Kunst-Wirtschaft

Coole Einblicke bringt die aktuelle Ausstellung von Ahu Dural in der Küveti, der Künstler*innen Vereinigung Innsbruck! Speziell die auf schlanken Beinen übermäßig hochgestatzten Bänkchen stechen elegant hervor aus dem dichten Ensemble aus niedrigeren Figuren. Durch die einheitliche Färbung in einem – sagen wir Rostrot – ein beruhigender Effekt gegenüber den durchaus widersprüchlichen Formen, die sowohl möbelhaft als auch anthropomorph gestaltet sind, aber auch undefinierte Objekte, die man als abstrahierte Geräte interpretieren könnte, beinhalten.

Ein lohnender kurzer Weg durch den kleinen Hofgarten mit den wunderbar herbstlich gefärbten Baumkronen zum Kunstpavillon und zur Begegnung mit Frau Monteurin! – In der 15-teiligen Installation Die Monteurinnen / Kadin Montajcılar spielt die Bildhauerin Ahu Dural (*1984, Berlin) mit verschiedenen Dimensionierungen der einzelnen Objekte – von überlebensgroß (die 240 cm hohen Bänke, eine auf dem Boden liegende stilisierte Hand oder ein Handschuh?) über Quasi-Normalmaß (Figurinen, Stiefel mit Absatz, Pflanzliches, Hobel) bis zu scheinbaren Verniedlichungen der angedeuteten Dinge. Es entsteht die Aura einer Werkstatt, einer als männlich konnotierten Arbeitswelt, in der nun aber weibliche Energie, weibliche Attribute die kantige Strenge durchbrechen, etwa ein wallender Haarschopf statt Sicherheitshelm, oder die Sonnenliege als Symbol für Freizeit und Urlaubsgenüsse. Aus der Bewegungsskizze einer Greifhand und ihrer Abstraktion entwickelte Dural eine markante, zangenartige Form, die von einem Tischpodest aufragt. Insgesamt ist diese Installation eine Weiterentwicklung von z. T. schon bestehenden und neu entwickelten Objekten zu einem neuen Gesamtbild. Etwa die Hochbänke (Var. 01, Var. 09, Var .15) wurden für einen hohen Raum in Wien* konzipiert, wo von einer Empore aus der Aufblick möglich war (der hier verwehrt ist). - Ganz im Zeichen der ergänzenden Kooperation, wurde dieses Ensemble mit z.T. extentrisch platzierten Kleinst-Objekten pointiert: Peggy Peel steuerte After Work, 2025 (Eisbecher u.a.) bei und von Irma Blumstock stammt etwa das Objekt Nagel, 2025, das unerreichbar auf dem hohen Objekt liegt.

Die Monteurin / Kadın Montajcı (2025) – der geometrisierende Raumteiler – lässt sowohl Durchblick als auch Durchgang in den rückwärtigen Ausstellungsraum offen. Auch hier dominieren Wand- und Raumobjekte, aber es wird mild-farbiger und zum Material Holz kommen Metall, Stoff und Fotografie. Jedes Objekt erzählt die Geschichte von präziser Arbeit, Handarbeit oder maschineller Serienproduktion gleichermaßen und hat eine sichere Ästhetik und Qualität allein aus sich heraus. Diese Objekte, mit Namen Neue Sachlichkeit, Pult mit Händen, Wohnen und Arbeiten u.a., können insgesamt die Reflexion über die Herstellung von Gegenständen (Massenproduktion), den Prozess der Formfindung, Stilistik, Materialeinsatz anregen. Und damit im Zusammenhang die Rolle von Frauen in der monotonen Fabriksarbeit, hierzulande und in Fernost thematisieren. Denn billige, flinke, geschickte Frauenhände sind in vielen Branchen gefragt. Ahu Duval bezieht sich aber mit den zu den Objekten montierten Fotos konkret auf die Geschichte ihrer Muter bzw. ihre eigene Kindheit, die sie in Berlin Siemensstadt erlebt hat, als Tochter einer unfreiwilligen Migrantin. Das ist eine eigene Geschichte und wird in einem eigenen Aufsatz (engl.) abgehandelt. – Es erhebt sich schließlich die Frage, ob die ausgestellten Werke, deren Titel auf Örtlichkeiten in Siemensstadt verweisen (Saatwinkler 129, Kaufmitte) nur mit den (sehr persönlichen) Fotos und mit Wissen der Hintergrundgeschichte funktionieren oder ob Kunst weiter gedacht werden kann/soll/muss. Gleichsam ein Verweis, wenn nicht eine Hommage an all die anonymen Hände, als pars pro toto Mensch/Frau, die die fabriksmäßig hergestellten Gegenstände unseres Alltags produzieren. Damit hängen aber ganz andere Fragen von Produktionsmechanismen und -bedingungen und Sinnhaftigkeit zusammen.

Nichtsdestrotrotz war mir diese Ausstellung eine willkommene Anregung, mehr über die Arbeiterwohnungen in Siemensstadt und deren Architekten, zu denen auch Hans Scharoun zählte, zu recherchieren. Gleichermaßen über Siemens selbst, das seit 1879 bereits in Wien und ab 1902 in Innsbruck tätig ist, was einen inneren Konnex zur Ausstellung bildet. Und wenn man sich nur gröbst die Entwicklungsschritte von Siemens zu Gemüte führt - die andere Perspektive also - sei es von Leitungsebene auf Umsetzungsebene oder aber von außen auf ein global agierendes Technologie-Unternehmen – merkt man: hier wurde Welt verändert – und es wird anders spannend (unabhängig davon, dass auch eine Frau an oberster Spitze Karriere machte). Als Siemens Lead Country Österreich besteht nicht nur regionale Verantwortung, sodern auch für weitere 25 Länder in CEE und Zentralasien. Mitarbeitende: 29.600, Umsatz: 6,8 Mrd. Euro. – Solche Zahlen sind vergleichbar mit abstrakter, höchst abstrahierter Kunst.

*) Raised Hide, Skulpturen, 2016, Abb. im Katalog She sees nothing, Sammlung Friedrichshof Stadtraum, Wien.

Mehr Texte von Aurelia Jurtschitsch

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Ahu Dural - Frau Monteurin / Kadın Montajcı
26.09.2025 - 10.01.2026

Kunstpavillon - Tiroler Künstler:innenschaft
6020 Innsbruck, Rennweg 8a
Tel: +43(0)512 581133, Fax: +43(0)512 5854971
Email: pavillon@kuenstlerschaft.at
http://www.kuenstlerschaft.at
Öffnungszeiten: Di-Fr 10-12, 14-18, Sa 11-17


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