|
Fernand Khnopff, Des caresses, 1896 |
Der Unterschied könnte kaum größer gedacht werden: Draußen der Trubel und die Hitze des Salzburger Festspielsommers, drinnen die Innerlichkeit und Subtilität der Bilder, Zeichnungen und Fotografien der Ausstellung über den belgischen Symbolisten Fernand Khnopff, die im Rupertinum nach Brüssel ihre zweite Station hat und ab Mitte September in Boston zu sehen sein wird.
|
Fernand Khnopff, Tête de femme, 1899 |
Das Betrachten von Khnopffs Universum ist wie ein einziges großes Déjà-vu. Da sind Bilder wie das grandiose "Liebkosungen", das die gefährliche Zärtlichkeit einer gepardengestaltigen Sphinx gegenüber einem jungen Mann darstellt, in dem Oedipus gesehen wird. Oder "I lock my door upon myself" aus der Münchner Pinakothek mit seinen Symbolen der Einsamkeit. Oder die hauptsächlich als Spiegelbild im Wasser gemalte, stille Uferlandschaft mit Bäumen der Österreichischen Galerie Belvedere. Man kennt sie gut.
Man erkennt aber auch viele andere, die man vielleicht noch nie vorher gesehen hat. Über hundert Jahre nach ihrem Entstehen offenbaren die Bilder von Fernand Khnopff ihre eigene Wirkungsgeschichte. Unter dem Einfluss des literarischen Symbolismus und der Malerei der englischen Präraffaeliten schuf Khnopff Bilder einer sich von der Banalität der üblichen Lebensumstände abwendenden und doch in ihr gefangen bleibenden Individualität. Die dekadente Erkenntnis des Künstlers "Man hat nur sich selbst" steht am Anfang der Entwicklung eines Phänomens, das heute als "Marke Ich" Allgemeingut geworden ist.
Khnopffs Werk ist Teil unseres kollektiven visuellen Gedächtnisses, nicht nur, weil es schon bald nach dem Entstehen seiner wichtigsten Werke ab den späteren 1880er bis in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts große Popularität erreicht hat, sondern natürlich auch, weil es von vielen anderen Künstlern um 1900 aufgegriffen und weitergetragen wurde. Im Rupertinum sind daher folgerichtig ergänzend auch Bilder von österreichischen Künstlern wie Gustav Klimt und Carl Moll zu sehen. Über den damals aufkommenden Film wurde seine Eigenart ebenfalls tradiert.
Der Künstler als sensibles Individuum, das aus den Geheimnissen seines Inneren schöpft, wurde im späten 19. Jahrhundert zu einem wichtigen Topos der Avantgarde. Fernand Khnopff steuerte dazu seine dandyhafte Ich-Variante bei. Heute kann das schon fast jeder.