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Im Nacken das Sternemeer - Ludwig Meidner - Ein deutscher Expressionist: Apokalypse Großstadt

Das Höllenfeuer scheint sich in seinem grotesk lachenden Gesicht zu spiegeln. Die Apokalypse lauerte überall, damals, 1912 in Berlin, wohin Ludwig Meidner aus der schlesischen \Kartoffel- und Zuckerrüben\-Provinz gezogen war. In den Straßen der Großstadt konnten jederzeit Häuser zersplittern, Vulkane explodieren, wogende Telegraphendrähte zu Fanalen des Purgatoriums werden. \"Die Pathetiker\" nannte sich die im selben Jahr gegründete Künstlervereinigung mit ihrem Protagonisten Meidner. Der hatte sich in Paris mit Amedeo Modigliani und in Dresden mit Ernst Ludwig Kirchner befreundet, aber seinen eigenen Weg innerhalb des Expressionismus immer konsequent verfolgt. Dass Meidners Selbstportrait 1937 ein Trumpf der Ausstellung \"Entartete Kunst\" wurde, erscheint fast logisch. Immer wieder blickt der Künstler selbst aus dem Bild, verunsichert hinter einer Zeitung, nervös hinter der Palette hervor oder (\"Mein Nachtgesicht\") hilflos aus der Schutzlosigkeit der Düsternis. \"Ich habe schreckliche Angst. Die Nacht ist schweigend und dröhnt\", schrieb Meidner 1915 in der \"Aktion\". Häufig portraitiert Meidner Zeitgenossen, in Ölbildern und Radierungszyklen: Max Herrmann-Neiße, Paul Westheim, Johannes R. Becher. Viele andere Namen sind dem heutigen Besucher nicht mehr geläufig; hier hätte man gern mehr erfahren. Meidners Radierungen aus der Zeit des Ersten Weltkriegs steigern das Grauen ins Unermessliche: Gesichter, fleischig, verkrampft, wie Därme oder haltlose Hirnmasse. Schlimmer, so dachte man damals wohl, konnte es nicht kommen. Es kam doch. Meidner emigrierte nach London. Die Hochphase seines künstlerischen Schaffens war zu dieser Zeit vorbei; statt des ausführlich präsentierten Spätwerks, das von Meidners künstlerischer Orientierungslosigkeit nach der Ära des Expressionismus zeugt, wäre neben den Radierungen und Federzeichnungen eine größere Auswahl an Ölbildern sinnvoller gewesen.
Mehr Texte von Iris Meder †

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Im Nacken das Sternemeer - Ludwig Meidner - Ein deutscher Expressionist
05.10.2001 - 20.01.2002

Jüdisches Museum Wien
1010 Wien, Dorotheergasse 11
Tel: +43(1) 535 04 31, Fax: +43(1) 535 04 24
Email: info@jmw.at
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Öffnungszeiten: So-Fr 10-18, Do 10-20 Uhr, Sa geschlossen


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