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Jenny Holzer - Truth Before Power: Erwartung übertroffen

Für die aktuelle Schau im Kunsthaus Bregenz hat Jenny Holzer selbst nicht weniger als ein Jahr gearbeitet. Zusammen mit ihrem Technikerteam und Historikern, die in den geheimen Archiven des CIA recherchiert haben, hat eine intensive Anstrengung ein fulminantes Ergebnis geliefert. Das Erdgeschoss setzt mit einem visuellen Paukenschlag ein: Eine geschälte Bregenzerwälder Tanne hängt einem riesigen Phallus gleich schräg von der Decke. Dem Holzstamm wurde nach genauen Instruktionen von Jenny Holzer ein Text des amerikanischen Lyrikers Henri Cole eingebrannt, und zwar kreisförmig, wie dies etwa auch bei den Säulen vor der Karlskirche in Wien geschehen ist. Inhalt des Gedichtes sind die Schrecken des Krieges, gewidmet ist es dem gegenwärtigen Präsidenten Amerikas und zeichnet ein psychologisch genaues Bild der Machtversessenheit und Kriegstreiberei. Seit der späte Paul Celan sich weigerte, sein ultimativ schönes Gedicht "Die Todesfuge" vorzutragen, weil es einem Zynismus gleichkam, das Leid des Holocausts in romantischen Metaphern zu besingen, wäre es ein ästhetisch sehr bedenkliches Verfahren, eben diese schöne Sprache aus dem Fundus der Weltliteratur wieder hervorzukramen. Nicht so im Falle von Jenny Holzer: Über dem Publikum schwebend wie ein Damoklesschwert, jeweils nur zur Hälfte von einer Seite lesbar, bekommt es trotz aller Sprachschönheit etwas von dadaistischen Textformationen und wird so ästhetisch wieder absolut möglich. Im ersten Stock läuft das gleiche Gedicht über LED-Reklamemaschinen. Diese im öffentlichen Raum üblich gewordenen "Light-Emitting-Diode-Lamps" erzeugen bei Holzer einen beinahe psychedelischen Effekt. Das Lesen erweist sich genauso schwer, wie die Entzifferung des Sinns in der (Kriegs)Geschichte unserer Zivilisation. Im zweiten Stock wiederholt sich die Anordnung, allerdings statt blauer in roter Leuchtschrift und statt vertikaler in horizontaler Anordnung. Nun stammt der Text aus erstmals veröffentlichten Geheimdokumenten der Vereinigten Staaten. Die gesamte Fläche des dritten Stocks ist mit LED-Reklamemaschinen ausgelegt. Der gelbe Lauftext stammt aus Grundsatzpapieren des CIA. Der optische Gesamteindruck erinnert an ein nächtliches Flugfeld, das sich vor den Augen des landenden Piloten hin und her bewegt. Die gelbe Farbe rinnt in mechanischen Schüben über den Boden. So entsteht etwas wie das Tafelbild des 21. Jahrhunderts.
Mehr Texte von Wolfgang Ölz

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Jenny Holzer - Truth Before Power
12.06 - 05.09.2004

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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