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Małgorzata Mirga-Tas - Tełe Ćerhenia Jekh Jag: Vernähte Geschichten

„Lustig“ – wie es in einem alten Volkslied heißt – „ist das Zigeunerleben“ in den von Małgorzata Mirga-Tas opulent aus bunten Stoffen collagierten Bildgeschichten nicht. Allerdings die Idylle pur. Was im Wissen um die als Folge jahrhundertelanger Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung prekäre Situation eines großen Teils dieser größten ethnischen Minderheit in Europa doch einigermaßen irritiert. Ganz abgesehen von der halben Million Sinti und Roma, die im Dritten Reich als Opfer rassistischer Verfolgung ins Gas geschickt worden sind.

Dabei ist Małgorzata Mirga-Tas selbst eine Romni. Die nach ihrem Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Krakau in die heimatliche Roma-Siedlung im polnischen Szarna Góra zurückgekehrt ist, um sich als Künstlerin, Pädagogin und Aktivistin zu betätigen. Ihren ganz großen Auftritt hatte die 47-Jährige vor drei Jahren, als sie – als erste Romni-Künstlerin jemals – den polnischen Pavillon bei der venezianischen Biennale gerockt hat.

Was die Neugier von Thomas Trummer, dem Direktor des Kunsthaus Bregenz, erregen sollte, mit der Konsequenz einer Einladung an Małgorzata Mirga-Tas, dieses zu bespielen. Ihrer über die drei Obergeschoße ausgebreiteten Installation hat sie programmatisch den poetischen Titel „Unter dem bestirnten Himmel brennt ein Feuer“ gegeben. Inszeniert als Sehnsuchtsraum, in dem es um Mythen geht, inspiriert von Fotos, die die Künstlerin in familiären Archiven gefunden hat. Um in einem formal bewusst rückwärtsgewandten, subversiv feministisch durchpulsten Aktionismus die auf ihr Volk projizierten Fremdbilder zu konterkarieren. In der Form von Skulpturen und von Frauen genähten Bildern, die teilweise auf Gedichten des Roma-Dichters Jan Mirga basieren, die in den Stiegenaufgängen gemurmelt werden.

Lebensgroße, aus geschmolzenem Wachs, verbrannter Kohle und Metall gemachte, wundersam changierende archaische Figuren hat Małgorzata Mirga-Tas im ersten Stockwerk zwischen die von der Decke baumelnden textilen Bilder gestellt. Diese „Jangare“ sind eindeutig männlich, ihre Arme haben sie vor der Brust gekreuzt, ihre Anmutung ist genauso verletzlich wie bedrohlich. Ihre Macherin will sie als Bewacher ihrer seit dem 18. Jahrhundert bestehenden Roma-Siedlung verstanden wissen. Letztlich als die ins Großformat übersetzten kleinen magischen Figuren, wie sie von Romni-Wahrsagerinnen benutzt wurden. Einen dieser „Jangare“ erschaffen die Frauen von Czarna Góra in einem der Bilder nähend neu. Die an einem Tisch sitzende Künstlerin gemeinsam mit ihrer Mutter, ihren Tanten, Schwestern und Cousinen. Dieser neue Mensch wird zum bestirnten Himmel, die Welt, in der das alles passiert, ist eine heile, wie es sie mit Sicherheit nie gegeben hat.

Die Stoffe aus denen die Bilder von Siedlungen, Menschen und Landschaften gemeinschaftlich gemacht sind, sind gebraucht, wodurch die Geschichten ihrer ehemaligen TrägerInnen automatisch mit vernäht werden. Was sich bisweilen zum dreidimensionalen Objekt auszuwachsen kann, wenn etwa ein Ohrring, eine Perlenkette oder ein Rock zum Teil der Collage wird.

Im zweiten Obergeschoß hat Małgorzata Mirga-Tas unter einem von Sternen überwölbten Himmel die Schmiede ihres Großonkels aus überdimensionalen Bildern aufgebaut. Das sei ihr „safety place“, sagt die Künstlerin, die Rückkehr an einen Ort der Kraft, der realen wie mentalen Rekreation. Bevor man ganz oben im Reich der Bären landet, die allerdings nicht auf Jahrmärkten tanzen, über deren Köpfen keine Peitschen schnalzen. Aus schwarzem Wachs und Ruß geformt, stehen sie als magische Figuren zwischen den Stoffcollagen herum, in denen die verloren gegangene Einheit von Mensch, Tier und Landschaft nostalgisch beschworen wird.

Ab 12. Juli sind im Foyer des Kunsthaus Bregenz außerdem Arbeiten von Maria Lassnig und der Kenianerin Chelenge Van Rampelberg zu sehen, die der britisch-kenianische Maler Michael Armitage ausgesucht hat, um sie mit eigenen Arbeiten in Dialog treten zu lassen.

Mehr Texte von Edith Schlocker

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Małgorzata Mirga-Tas - Tełe Ćerhenia Jekh Jag
07.06. - 28.09.2025

Kunsthaus Bregenz
6900 Bregenz, Karl Tizian Platz
Tel: +43 5574 48 594-0, Fax: +43 5574 48 594-8
Email: kub@kunsthaus-bregenz.at
http://www.kunsthaus-bregenz.at
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Do 10-20 Uhr


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