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Ian Hamilton Finlay - Fragments: Von Arkadien, dem Krieg und der See

Er ist wohl einer der stillsten, bescheidensten Künstler des 20. Jahrhunderts, dessen umfangreiches Werk mannigfache Ausdrucksformen hervorrief und sich mit den wesentlichen Themen der abendländischen Politik und Kunstgeschichte auseinandersetzte. Die Rede ist von dem britischen Künstler Ian Hamilton Finlay, der heuer 100 Jahre alt geworden wäre.

Anlässlich dieses Jubiläums zeigt die Galerie Hubert Winter eine Ausstellung parallel zu sieben weiteren Ausstellungen, die in der Ingleby Gallery in Edinburgh, der Kewenig Gallery in Palma de Mallorca, sowie der Galleria Massimo Minini in Brescia, weiters in der Londoner Gallery Vittoria Miro, der David Nolan Gallery in New York, der Sfeir-Semler Galerie in Hamburg und der Stampa Galerie in Basel zu sehen sind.

Zu den Ausstellungen, die alle diesen Mai eröffnet werden, erscheint ein Katalog, herausgegeben von Pia Maria Siming, der 100 Werke von Finlay umfasst.

Finlay war zweifelsohne ein Allrounder, der von Sprache ausgehend die Welt der Antike, die Symbole von Krieg und Nationalsozialismus bereiste und für sich in eine eigene Formensprache umwandelte.

1925 auf den Bahamas als Sohn eines „Herumtreibers“ geboren, lernte er schon früh, sich in Booten auf dem Meer zu bewegen. Hubert Winter stellt vornehmlich Arbeiten zur See aus. Dabei dient Finlay das Meer weniger als paradiesischer Ort, vielmehr interessiert ihn die Arbeitsgrundlage, die das Meer der

Fischerei und dem Kriegshandwerk bietet. Er baute eine sechsteilige Nachahmung der Rauchfänge von japanischen Kriegsschiffen, die in der Galerie Hubert Winter zu sehen sind: handlich geformte polierte Holzstücke, die ohne den erwähnten Kontext keinen Sinn ergäben.

Weiters zeigt Finlay eine Neonarbeit mit dem Schriftzug „netc.“ von 1975, die auf das Wort „Netz“ hinweist und die Abkürzung „etc.“ beinhaltet. „Net und etc.“ spielen auf die gewebten Netze der Fischer an.

Ein skurriler Loop aus dem Jahr 1977 ist ebenfalls bei Hubert Winter zu sehen. In einem Schwarzweiß-Video starten von einem Bügelbrett aus Kriegsflieger, denen ein „Bügeleisen-Geschwader“ entgegenfliegt. Dieser humoristische Zugang Finlays ist oft auch mit einem gewissen Schrecken verbunden. Man lacht nicht frei, die Bedrohung schwingt immer mit.

In der Nähe von Edinburgh gibt es heute noch den Garten „Little Sparta“ zu sehen, den Finlay vierzig Jahre lang, zum Teil auch mit seiner zweiten Frau Sue, anlegte. Hier finden sich Teiche, Tempel, gravierte Steine und Sitznischen. Es ist Finlays Versuch, ein irdisches Arkadien anzulegen. Er träumte von dieser Idylle mit Lichtungen und Hainen, wo Nymphen und Götter sich begegnen, und doch wird dieses Paradies durch das Kriegshandwerk mit Schiffen, Waffen und Kanonen durchbrochen.

Sowohl die der griechischen Antike nachgefühlten Gartenhaine sowie die kriegerischen Mittel bestimmen sein künstlerisches Leben.

Der abrupte Wechsel von der idealen Kindheit auf den Bahamas nach England sowie die spätere Kriegserfahrung im Zweiten Weltkrieg haben viel zu Motiv und Stil in Finlays Werk beigetragen.

Trotz der Objekte besteht Finlays Arbeit im Wesentlichen aus dem Wort. Sein Sohn beschreibt die Morgenroutine des Künstlers als ein Tippen auf der Schreibmaschine. Die konkrete Poesie spielte eine grundlegende künstlerische Rolle in Finlays Leben. Erst seine Beschriftungen von Artefakten ergeben den Interpretationsspielraum für Betrachter:innen. 1961 gründete er mit Jessie McGuffie die „Wild Hawthron Press“, bei der viele Bücher erschienen. Er unterhielt auch einen regen Briefwechsel mit Ernst Jandl.

Sein 100. Geburtstag ist ein guter Grund, den 2006 verstorbenen Künstler Ian Hamilton Finlay wiederzuentdecken. Der Katalog und die Ausstellungen sind mehr als ein Beginn.

Mehr Texte von Susanne Rohringer

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Ian Hamilton Finlay - Fragments
09.05. - 21.06.2025

Galerie Hubert Winter
1070 Wien, Breite Gasse 17
Tel: +43 1 524 09 76, Fax: +43 1 524 09 76 9
Email: office@galeriewinter.at
http://www.galeriewinter.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 11-18h
Sa 11-14h


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