
Hannelore Nenning - fließen, und das C& Center of Unfinished Business: Portraits fließenden Wassers
Die Trilogie in der Trilogie über die großartigen Töchter im Innsbrucker Taxispalais Kunsthalle Tirol ist mit Hannelore Nennings berührenden Portraits alpiner Wasserläufe vollendet. Nach Einzelausstellungen von Neda Saeedi und Esther Strauß zeigt die aktivistische Aquarellmalerin mannigfache Formen fließenden Wassers, und wie es sich durch die Landschaft schlängelt. Wollen wir diese Schönheit für den Fluss des Kapitals zerstören? Als Resonanzraum zur Ausstellung richten „Contemporary And (C&) Center of Unfinished Business” ihren mobilen Lesesaal mit Inhalten zum Kolonialismus ein. Die offensichtliche thematische Brücke: es gibt keinen Unterschied zwischen der Unterwerfung von Menschen oder der Natur, beides wird dabei verächtlich als Ressource betrachtet.
Die naturalistischen Bilder von Hannelore Nenning faszinieren, sie sind eine persönliche Annäherung an das Motiv: „Der Anblick, den ich durch meine Augen aufnehme, geht durch mein Innerstes hindurch, wird durch meine Gefühle gefiltert, und nur das mir Wesentliche fließt über meinen Arm, meine Hand, über Pinsel oder Stift auf das Blatt.“ Die Osttiroler Künstlerin (geb. 1947) schafft Wildwasserbilder, Bachportraits, Aquarelle, die sie meist auch vor Ort in den Bergen malt, belauscht quasi die Natur mit allen Sinnen und geht in die Emotion des Augenblicks. Können positive Bilder Erinnerungen schaffen und vorhandene Vorstellungen überprägen? Für Hannelore Nenning sehr wohl: „Ich kann Venedig nicht bereisen, ohne es auch wie Canaletto zu sehen, und als ich die Camargue besuchte, ging neben mir van Gogh auf Schritt und Tritt.“ Für sie ist der Einsatz klassischer Malerei und Grafik besonders geeignet, um Unwiederbringliches als schön und schutzwürdig hervorzuheben, eine Empfindung zu vermitteln, dass die Zerstörung dieser Schönheit ein Sakrileg ist.
Auch ihre Kritik an der Kunstkritik scheint berechtigt, kommt sie doch immer wieder in Erklärungsbedarf bezüglich ihrer naturalistischen Malerei, und hat doch Verständnis, wenn Worte den Nuancen eines Bildes nicht gerecht werden. Kunstkritik wäre im Idealfall eine literarische Gattung, sagt sie, und versucht es selbst: „Wie vielfältig die Drau war! Wenn sich die Kraft des Wassers im Sturz gebrochen hatte, glitt sie in zarten Wellen weiter, spielte mit den Zweigen von Weiden und Erlen, leckte da und dort unter Fichtenwurzeln am dunklen Waldboden, legte hier unter spiegelnden Wasserflächen gewellte Sandbänke nieder, schob dort, wo das Tal sich weitet, hellen Kies an und hinterließ auf ihm nach Unwettern bizarr geborstene Baumstämme“, schreibt sie in ihrem Essay „Malen am Wasser – Gedanken zu einer ökologisch inspirierten Kunst“. Wahrscheinlich hätte sie sich damals nach Vollendung dieser Abschiedsbilder mit dem Verlust der Drau stillschweigend abgefunden, wäre dann nicht in der Isel-Region ein Kraftwerk von „empörender Maßlosigkeit in Planung“ gewesen.
Zahlreiche Aquarelle und Radierungen sind über diese Flusslandschaft in Osttirol entstanden, einer Auswahl der liebevollen Portraits des Gletscherflusses ist ein eigener Raum im Taxispalais gewidmet. Nach jahrzehntelangen Kämpfen konnte dieser Fluss teilweise in Schutzzonen gerettet werden: zuerst sein Oberlauf in den Nationalpark Hohe Tauern, dann der Unterlauf als Natura 2000 Gebiet Iseltal. Am Anfang der Schau sind Aquarell-Portraits verschiedener Wasserläufe in Österreich wie Donau, Mur, Reisbergerbach oder die Schwarzach zu bestaunen. Im nächsten Raum ein Moment des Innehaltens – Denkmal für einen Wasserfall. Eigens für die Ausstellung geschaffene Portraits alpiner Wasserläufe der unmittelbaren Umgebung des Taxispalais finden sich im Untergeschoß. Die Landschaften des Platzertals und der Ötztaler Flüsse sind akut betroffen von Plänen, sie als Energieressource auszubeuten, damit wären die Gewässer und Moore des Platzertals ihrer eigentlichen Aufgabe im Ökosystem beraubt. Hannelore Nenning stellt mit der Darstellung jener unwiederbringlichen Schönheit ihren Diskussionsbeitrag zur Verfügung.
In Resonanz dazu, steht der temporär eingerichtete Lesesaal des C& Center of Unfinished Business, das 2017 von der Plattform Contemporary And C& gegründet wurde, und legt Bücher auf, die mit dem zerstörerischen Kapitalismus zu tun haben. Ausgangspunkt ist immer die Buchsammlung der lokalen Gastgeberinstitution, ergänzt mit Publikationen des Centers und Neuankäufen. Es geht darum, das Thema auf verschiedene Bereiche auszudehnen, die vom und durch den Kolonialismus beeinflusst und beeinträchtigt wurden und werden. Überraschend, wenn Emil Nolde darunter zu finden ist, mit Ansichten über die „schönen, freien Wilden“ in Übersee; ein Buch über die Wall Street und die Occupy-Bewegung; oder ein Roman von Alexander Puschkin, dessen Urgroßvater Mütterlicherseits ein afrikanischer Sklave war, der dem Zaren Peter dem Großen zunächst geschenkt, dann dessen Patenkind wurde, und später bis zum Generalmajor und Gouverneur von Estland aufstieg.
15.03 - 15.06.2025
Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr