
Caught in a Landslide: Im Trend
Dass Stipendiat:innen-Ausstellungen kaum auf kuratorischen Konzepten basieren können, liegt nicht zuletzt daran, dass die Zusammenstellung der Künstlerinnen und Künstler sich zwangsläufig durch die Auswahl einer für das Stipendium zuständigen Jury ergibt. Dieser Umstand aber hat zuweilen die Qualität, dass diesem „Kessel buntes“ die gerade in der Kunstwelt angesagten Trends ablesbar sind. Genau dieses gilt jetzt auch für die Ausstellung „Caught in a Landslide“, die gleichzeitig im Berliner n.b.k. und dem KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst zu sehen ist. Die Doppel-Präsentation zeigt Arbeiten von 14 in Berlin lebenden Künstler:innen, die letztes Jahr das Arbeitsstipendium des Berliner Senats erhalten haben. Zum Beispiel werden dort Themen wie Migration, Postpop-Identität, Feminismus, politischer Widerstand und Manipulation durch Soziale Medien künstlerisch verhandelt. Dieses in den Medien Video und Malerei, (interaktive) Klangarbeit, Performance und Installationen.
Positiv auffallen kann im n.b..k. die aufwendige Installation „How to Make a Painting from Memory“, 2022, aus Fototapete, zwei Häuser-Modellen und einem Video-Screening. Die in Toronto geborene Künstlerin Stephanie Comilang hat hier das gemeinschaftliche Tragen eines traditionellen Holzhauses von einem (Heimat)Ort in den Philippinen zu einem anderen, verknüpft mit den erzählten Geschichten von thailändischen Frauen, die in dem sogenannten „Thai Park“ in Berlin zu einer neuen Community zusammengefunden haben. So hat die Künstlerin in „How to Make a Painting from Memory“ einen so sensiblen wie überraschenden Zugang zu dem Thema Migration gefunden.
Babette Semmer, geboren in London, zeigt in „Caught in a Landslide“, ebenfalls im n.b.k., sechs mittelgroße Gemälde, die auf Motiven einer „Foto-Love-Stories“ Motive basieren, wie wir sie (alle) aus dem Jugendmagazin BRAVO kennen. In realistischen, manchmal ein wenig schwülstigen Bildern werden von Babette Semmer scheinbar unzerstörbare Themen wie „frühe Liebe“ und „erster Sex“, „Selbstinszenierung“ und „Generationskonflikt“ auf der Folie der Klischees massenhaft rezipierter Bildproduktion nicht gerade originell verhandelt.
Im KINDL überzeugt nicht zuletzt das Video „Voir Dire“ (deutsch: die Wahrheit sagen), 2024, von Luize Meyer, das im menschenleeren Amtsgericht Berlin-Wedding gedreht wurde. In diesem Setting reenacted die Künstlerin mit der Schauspielerin Maria Lehberg eine Schlüsselszene des 1979 in die Kinos gekommenen Justizfilms „And Justice for All“. In diesem spielt Al Pacino die Hauptrolle, in Luzie Meyers Arbeit wird Al Pacino feministisch engagiert ersetzt durch eine weibliche Darstellerin, die seine Rolle unter Anleitung von Luzie Meyer probt.
Weniger überzeugend kommt die Bilderserie „Labyrinths“, 2024 – 2025, des US-Amerikaners Christopher Kline daher. Die abstrakten Gemälde stellen unterschiedlich gestaltete Labyrinthe vor, „sowohl als Gestaltungselement wie als auch als ein mit metaphysischer Bedeutung behaftetes Konzept“ (Begleittext). Als Gestaltungselement erinnern die meist kleinformatigen Bilder an ein Hybrid aus tantrischem Gemälde und Abstraktionen aus den 1950er Jahren. Die behauptete metaphysische Bedeutung erschöpft sich leider in einer klischeehaften Spannung von Verlorensein und sich Finden.
Dass die Ausstellung der Stipendiat:innen dieses Jahr in gleich zwei renommierten Kunstorten Berlins stattfindet, tut ihr überaus gut. Die so deutlich vergrößerte Ausstellungsfläche gibt den Arbeiten die Präsentationsoptionen, die eine adäquate Rezeption der 15 künstlerischen Positionen erst möglich macht. Der Titel „Caught in a Landslide“ (deutsch: Gefangen in einem Erdrutsch) übrigens spielt auf die aktuellen Kürzungen im Berliner Kulturhaushalt an.
(Anm. d Red.: Die Ausstellung im n.b.k. endet bereits am 4. Mai!)

02.03 - 06.07.2025
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http://www.kindl-berlin.de/
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