
Radical Software: Women, Art & Computing 1960–1991: As Time Showed: Female Artists in the Digital Revolution
Bevor man die Ausstellung Radical Software. Women, Art & Computing betritt, fällt der Blick unweigerlich auf den Schriftzug Only Time Will Tell des Künstlers Driton Selmani, der unterhalb des Ausstellungsplakats an der Fassade der Wiener Kunsthalle angebracht ist. Dieser Satz, der unabhängig von der Ausstellung entstanden ist und keinerlei Bezug zu ihr hat, bietet sich dennoch als treffende Metapher für die Schau an. Eher unbeabsichtigt eröffnet er, eher eine treffende Doppelverbindung zu der langen und bisher weitgehend unsichtbaren Geschichte der Künstlerinnen im Bereich digitaler Technologien und des Computing zwischen 1960 und 1991, derer sich die Ausstellung widmet.
Zum einen erlaubt der Schriftzug die Jahrzehnte zu reflektieren, die es gedauert hat, bis die oft übersehene Pionierarbeit dieser Künstlerinnen in der Kunstwelt gewürdigt wurde. In einer Zeitspanne, in der technologische Innovationen vor allem von männlichen Akteuren geprägt waren, blieben Beiträge von Frauen häufig unbeachtet. Dabei waren es vor allem Frauen und Künstlerinnen, die das heute so dynamische Feld der Technik und der digitalen Kunst wesentlich beeinflussten, indem sie mit Computertechnologie experimentierten und kreative Potenziale erkundeten, die weit über die damals gängigen Vorstellungen und Funktionen hinausgingen. Die Ausstellung bietet diesen Frauen und Künstlerinnen nun endlich ihre verdiente Würdigung und beansprucht für sie zurecht einen Platz im kunsthistorischen Kanon.
Die zweite Verbindung, die der Schriftzug Only Time Will Tell eröffnet, führt in die historische Tiefe der Ausstellung: Ada Lovelace, die Vordenkerin der Informatik und erste Programmiererin des 19. Jahrhunderts, steht paradigmatisch für die visionären Frauen, die weit über die technologischen Grenzen ihrer Zeit hinausdachten. Im Gegensatz zum Mathematiker M. Charles Babbage erkannte sie das Potenzial seiner Analytical Engine weit über bloße mathematische Berechnungen hinaus – ein Weitblick, der sich in ihren eigenen, selbstbewussten Worten widerspiegelt: „That brain of mine is something more than merely mortal; as time will show.“
Und die Zeit zeigte es – ganz buchstäblich mit einer historischen Zeitleiste in der Ausstellung, die die zentrale Rolle von Frauen in der Entwicklung digitaler Technologien vor Augen führt. Mit der Zusammenstellung wegweisender Werke verschiedenster Ausdrucksformen – von der Plotterzeichnung bis hin zur Performance – zeigt die Ausstellung nicht nur die Vielfalt und Innovationskraft der Künstlerinnen, sondern auch die vielschichtige Rolle von Frauen in der Entstehung und Entwicklung digitaler Technologien.
Radical Software versammelt Künstlerinnen, die mit ihren Arbeiten digitale Technologien an ihre Grenzen treiben, sie befragen, aneignen und bestehende Systeme experimentell umnutzen. Ein wiederkehrendes Muster zeigt dabei, dass die Künstlerinnen oft über ihre berufliche Tätigkeit in Kontakt mit den Geräten und Technologien kamen oder diesen Kontakt aufgrund ihres ästhetischen Interesses über ihre Jobs suchten. Doch dieser Zugang war oft von Widerständen begleitet: Wie Inge Borchert beschreibt, wurde sie als diplomierte Physikerin bei DESY – einem deutschen Forschungszentrum – in den 1960er Jahren zunächst häufig mit einfachen, mühsamen Aufgaben betraut, die unter ihrer Kompetenz lagen. Nina Sobell hingegen erkannte bereits früh in den 1970er Jahren die Möglichkeiten interaktiver Medien, was sie dazu veranlasste 1979 im Computer Store in Santa Monica zu arbeiten und zu experimentieren.
Die umfassende Recherche, die hinter der Ausstellung steckt, zeigt sich nicht nur in der Auswahl der Künstlerinnen, sondern auch in ihrer historischen Spannweite. Der Bogen reicht von Irma Hünerfauth (1907–1998), die Computerplatinen für ihre interaktiv-kinetischen Vibrationsobjekte nutzte, bis hin zu jüngeren Positionen wie Dominique Gonzalez-Foerster (*1965) und Tamiko Thiel (*1957), deren künstlerische Praxis heute auch Virtual und Augmented Reality einbezieht.
Am Ende bleiben Fragen: Inwiefern wirken historische Positionen in der zeitgenössischen digitalen Kunst nach? Wie lassen sie sich mit den Arbeiten jener Künstler:innen in Beziehung setzen, die heute mithilfe von VR und AR neue immersive Räume erschließen? Und wird es eine Fortsetzung dieser kuratorischen Auseinandersetzung geben, die den aktuellen Stand dieser rasant wachsenden Felder aufgreift – oder wird es wieder Jahrzehnte dauern?
28.02 - 25.05.2025
Kunsthalle Wien Museumsquartier
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