
Golf der Azteken
Ein Plädoyer für die Umbenennung des Golfsports
Die Szene ist farbenfroh und ausdrucksstark – ein Siebdruck, der nicht nur wie ein Poster wirkt, sondern auch als solches vermarktet wird. Zwei Golfer sind abgebildet. Der erste, rechts im Bild, steht in einer Schwungposition, in der sein Schläger gleich mit Wucht zum Boden sausen wird. Er trägt ein gelbes Hemd und hat blondes, beinahe gelbes Haar. Besonders auffällig ist die nach vorne fallende Welle seiner Frisur. An der Stelle, an der die Schlägerlinie den Kopf des Spielers schneidet, verdeckt sein Haarschopf den schwarzen Strich, der sich in Türkis und Weiß bis zum Handschuh seiner Schlaghand erstreckt. Der grimmige Blick des Spielers spiegelt sich im ungestümen Malstil wider, die Farben scheinen wie auf das Bild geschleudert. Hemd und Gesicht bestehen aus Flecken und Flächen, die mit spritzenden Tönen von Gelb, Fuchsia, Schiefergrau und Weiß durchzogen sind.
Der zweite Golfer, links der Mitte, zeigt denselben leidenschaftlich aufgewühlten Stil, wirkt jedoch ruhiger. Seine Hände sind achsial vor dem Körper, seine Nase folgt der Linie des Schlägers, der nach oben weist, als würde er eine Flagge halten. Diese Linie zieht sich als steile Diagonale durch das Bild und wird im unteren Bereich durch die Überlagerung der Körper fortgesetzt. Während im unteren Teil des Bildes Farben und Formen das Sujet fast zum Bersten bringen, entsteht oben zwischen den Schlägerrahmen eine fast homogene Fläche in Grün, die nur an den Rändern durch einige Farbflecken aufgelockert wird. Ein angeschnittenes Rechteck verweist auf die Avantgarde, vielleicht als Anspielung auf den Konstruktivismus und dessen Betonung des Eigenwerts von Farbe und Fläche. Doch vor allem die dynamische Farbbehandlung bestimmt die Wirkung des Bildes: Sie erinnert an das Informel – an den körperlichen Ansatz der Malerei – und zitiert zugleich die Pop Art mit ihren Signalfarben und der plakativen Bildsprache. Es handelt sich um einen bunten Stilmix der Moderne, der ungestüm wirkt und dennoch eingängig bleibt.
Die Energie des Bildes wird durch einen weiteren Kontrast bekräftigt, der sich in der Haltung der beiden Golfer, ihrer Kleidung und ihrem Habitus ausdrückt. Der Spieler links trägt Anzug und Hemd, sein gekämmtes Haar und die hohe Stirn verleihen ihm ein beamtisches, korrektes Aussehen. Der Golfer auf der rechten Seite hingegen zeigt einen entschlossenen Gesichtsausdruck. Besonders auffällig ist sein aufgewühltes, vom Wind zerzaustes Haar. Blonder Kopf und strotzender Körper erinnern an die Ideale der Nazikunst, wie sie von Arno Breker in seinen Darstellungen von Athleten dargestellt wurden, die die Zukunft des Tausendjährigen Reiches sichern sollten.
Bemerkenswert an dieser Darstellung, die von Leroy Neiman (1921-2012), einem US-amerikanischen Künstler und Illustrator, stammt, der sich mit Sport beschäftigte und für den “Playboy” arbeitete, und in jungen Jahren im Krieg war, ist nicht nur das Hybrid der Stile, sondern vor allem die Umdeutung des Geschehens. Normalerweise ein Sport der Präzision und Überlegung, wird Golf hier zum Kampfszenario umgemünzt. Die beiden Golfer sind nicht wie in Freizeit und Vergnügen wiedergegeben, sondern als Kombattanten im Nahkampf. Der muskulöse Spieler auf der rechten Seite scheint nicht den Ball zu schlagen, sondern ist vielmehr bereit, seinen Gegner zu erledigen. Golf, das traditionell auf gepflegten Wiesen und mit englischen Manieren ausgetragen wird, wird hier zu einer Arena körperlicher Auseinandersetzung, eines Kraftakts und zum Sinnbild einer aggressiven, militärischen Härte. Es geht nicht darum, einen kleinen Ball zu treffen, sondern einen Gegner zu besiegen – und ihn zu eliminieren.
Das Bild stammt aus dem Jahr 1973 – dem Jahr nach Jack Nicklaus’ ersten großen Erfolgen, dem Jahr, in dem der Vietnamkrieg zu Ende ging und das Abkommen von Bretton Woods aufgelöst wurde. Mit der Liberalisierung der Währungen brach der Dollar ein, der US-amerikanische Präsident Nixon belegte Importe mit zehn Prozent Zoll. In diesem Kontext lässt sich das Bild weniger als historisches Dokument lesen, sondern es drängen sich vielmehr Parallelen zur Gegenwart auf. Golf, ein Sport, der traditionell mit älteren Herren und gemäßigter Mobilität assoziiert wird, wird hier zu einer Arena von Körperkraft, Durchsetzungsvermögen und markig männlichem Auftreten.
So gesehen erscheint der blonde, streitbare Kämpfer wie ein Porträt des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump – ein Mann, dessen markige Auftritte und bellizistische Willensbekundungen die Welt derzeit spalten. Die Anmutung des Bildes, die den Golfsport in ein aggressives Kampfgeschehen verwandelt, scheint Trumps Geisteshaltung treffend zu verbildlichen. Erst kürzlich deutete Trump an, den Golf von Mexiko – in der Nähe seines pompösen Anwesens Mar-a-Lago gelegen – in den „Golf von Amerika“ umbenennen zu wollen. Diese Geste könnte als Anlass dienen, den Spieß symbolisch umzudrehen und dem Golfsport selbst einen mexikanischen Anstrich zu verpassen.
Man könnte sich vorstellen, Golf fortan „Golf der Azteken“ zu nennen – eine Hommage an jene mesoamerikanische Kultur, die einst von rituellen Spielen geprägt war, bei denen es um Leben und Tod ging. Diese Umdeutung würde den Sport endgültig von seiner traditionellen Zurückhaltung befreien und Trumps kriegerische Fehlinterpretation ins Absurde übersteigern: Aus dem eleganten Schlagen eines Balls wird das erbarmungslose Bezwingen eines Gegners, dessen Niederlage fast schon rituellen Charakter hätte. Die Pointe liegt in dieser radikalen Verkehrung: Ein Sport, der ursprünglich für Bedachtsamkeit und Noblesse steht, wird zum Sinnbild für Macht und Opferung – eine groteske Parallele zu Trumps politischem Stil und dessen Wunsch, die Welt nach seinen Vorstellungen zu formen. Ein echter „Deal“, ganz im Geiste seiner Marke: laut, polarisierend und absurd – aber zugleich bezeichnend für den Zeitgeist, den er verkörpert.
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ABB: Leroy Neiman: Champs of Golf, 1973, Siebdruck, Detail
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