
Esther Strauß - Kindeskinder: Unbequeme Tiefenbohrerin
Die erste der drei „großartigen Töchter“, die Nina Tabassomi, die Hausherrin der im Innsbrucker Taxispalais eingerichteten Kunsthalle Tirol in diesem Jahr präsentieren wird, ist Esther Strauß. „Kindeskinder“ nennt die gelernte Malerin, die sich als Performerin sozusagen selbst zum „Malgrund“ macht, ihre noch bis 2. März laufende groß angelegte Personale, in der die 39-Jährige ganz unterschiedliche Werkgruppen zeigt. Für deren Verständnis ist es sehr hilfreich, dass die Schau von einem gut gemachten Booklet begleitet wird etwa wenn der Besucher/die Besucherin vor zwei lebensgroßen Fotos steht, auf denen sich die Künstlerin völlig nackt den schonungslosen Blicken ausliefert. Auf Bild Nr. 1 „wäscht“ sie sich mit der Erde des großväterlichen Grabs, das andere zeigt sie kurz vor der Geburt ihres dritten Kindes. Mit Geburt und Tod jene zwei zentralen Momente im Leben jedes Menschen umkreisend, die für die Künstlerin letztlich riskante performative Akte sind.
Sozusagen die opulente Reliquie eines solchen Akts ist ihr mit Milch, Blut, Schweiß und Kot getränktes „Geburtskleid“. Dass man hier unwillkürlich an die ikonischen Relikte der aktionistischen Aktionen von Hermann Nitsch denkt, ist durchaus gewollt. Die Spuren, die ihre warum auch immer seit 2024 geweinten Tränen auf mehr als 60 handgeschöpften, fein gerahmten Papieren hinterlassen haben, sind dagegen genauso marginal wie die, die die 1943 drei Tage nach ihrer Geburt in Auschwitz ermordete Marie Blum in der Welt hinterlassen hat. Um ihr ein „performatives Denkmalmal“ zu setzen, hat Esther Strauß 2020 ganz offiziell ihren Namen abgelegt, um ein Jahr lang den der kleinen Romi zu tragen.
Esther Strauß ist eine unbequeme Tiefenbohrerin. Jede Frage, die sie in der Form von Objekten, Fotografien oder Dokumenten etwa in Sachen NS-Vergangenheit – auch in der eigenen Familie – stellt, erinnert an die Verantwortung, die wir „Kindeskinder“ in einer Zeit tragen, in der neue Faschismen offensichtlich wieder salonfähig werden. Welche öffentlich zugängliche Tiroler Sammlung den Stahlnagel, den die Künstlerin in eine der Galeriwände geschlagen hat, nach Ende der Schau geschenkt bekommen wird, ist offen. Bedingung: Er darf nur dann gezeigt werden, wenn er zum Träger eines zu restituierenden Objekts wird.
06.12.2024 - 02.03.2025
Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr