
Philippe Parreno - Voices: Wie Weltraumtechnik
Zwischen einem nicht näher benannten Ort im Süden Spaniens, in einer steppenartigen Landschaft bei Almeria, und dem Ostflügel des Münchner Haus der Kunst besteht derzeit eine Verbindung in der Form einseitigen Datenaustauschs. 52 Sensoren senden Information über Temperatur, Druck, Licht, Wind, Luftfeuchtigkeit, und nicht zuletzt Klänge aus der Steppe nach München, wo die Datenmengen wiederum in erfahrbare Effekte kinetischer, optischer und akustischer Form umgewandelt werden. Ein Ort (dort) wird in anderer Form an einem anderen Ort (hier) reproduziert. Insofern lässt sich die ganze Ausstellung in eine Reihe der künstlerischen Annäherungen an Natur fassen.
Es wäre aber nicht das Jahr 2025, wenn nicht eine KI zwischengeschaltet wäre, die wiederum die ankommenden, und wohl auch im Haus der Kunst selbst gesammelten Daten durchmischt und faktisch, aber unbemerkt, Modulationen vornimmt, was sich in mehr oder weniger gedimmten Lichtern, mehr oder weniger Hitze ausstrahlenden Heizstrahlern, sich so oder so bewegenden Apparaten und so weiter ausdrückt, was aber als Abweichung, wie gesagt, da die ursprüngliche Information in der selben Form materialisiert wird, unbemerkt bleibt.
Die Materialität von Voices ist in erster Instanz Information, eine große Menge elektrischer Impulse. Erst in zweiter Instanz werden diese Impulse zu Sichtbarem, Hörbarem, Spürbarem, vermittelt durch Designobjekte, deren Funktionsweise transparent gemacht ist (Kabel, Gelenke, usw.) und die trotzdem opak bleiben (wie Weltraumtechnik). Man schaut, aber sieht, lauscht, aber hört – nichts. Die blinkenden Lichter sind Zeichen ohne Bedeutung und die Stimme, die Susanne Daubner, die deutsche Journalistin und Moderatorin der Tagesschau (hier: die bekannteste deutsche Stimme, die der Welt Sinn verleiht) der KI geliehen hat, wandert als Stimme, aber nicht Sprache, durch die Räume der Ausstellung. Irgendwo in der Übermittlungskette ist etwas verloren gegangen, und was übrig bleibt ist Veränderung an sich – oder: körperliche Erfahrung an sich.
Theoretisch ist das Format der Ausstellung dialogisch, theoretisch sind Rückkopplungseffekte integriert, die aus der Erfahrung der Ausstellung eine Mitgestaltung der Ausstellung machen. Aber die wahrscheinlichste Körperhaltung der Besucherinnen und Besucher ist die von Menschen, die vor etwas Großem stehen, in Ehrfurcht, so wie immer.

13.12.2024 - 25.05.2025
Haus der Kunst München
80538 München, Prinzregentenstrasse 1
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